Autobahnpolizei: Verbrecherjagd mit Tempo 200

2.2.2018, 05:54 Uhr
Dank eines starken Magneten können die Polizisten (wie hier Barbara Brechtelsbauer) das Blaulicht auch bei Tempo 160 noch ohne Probleme aufs Autodach setzen.

© Michael Matejka Dank eines starken Magneten können die Polizisten (wie hier Barbara Brechtelsbauer) das Blaulicht auch bei Tempo 160 noch ohne Probleme aufs Autodach setzen.

Die Blechschilder, die Tempo 120 anzeigen, kümmern den Niederländer nicht im Geringsten. Mit seinem SUV dreht er bis auf 170 auf, hängt schnell einem anderen Wagen am Kofferraum, drängelt wie wild, will unbedingt vorbei. Doch das Auto vor ihm überholt fleißig, der Fahrer denkt nicht daran, dem Drängler Platz zu machen.

Der Niederländer wird immer ungeduldiger, versucht, eine Lücke zu finden – und stößt plötzlich hinein. Er tritt das Gaspedal durch, überholt rechts, schlägt sofort scharf links ein und schneidet den Überholten. Dann tritt er voll aufs Bremspedal, verlangsamt schlagartig von 150 km/h auf Tempo 80. Der Überholte kann gerade noch rechtzeitig bremsen.

Pech nur für den Niederländer, dass direkt dahinter ein Zivilfahrzeug der VPI Feucht fuhr und den ganzen Wahnsinn mit der Kamera aufgezeichnet hat. Die Beamten winken den Fahrer heraus. Erst nachdem er 1500 Euro Sicherheitsleistung gezahlt hat, darf er weiterfahren. Später bekommt er noch einen Strafbefehl über 1500 Euro, den er bis heute nicht gezahlt hat. „Sobald er nach Deutschland einreist und kontrolliert wird, wird er verhaftet“, sagt Stefan Pfeiffer, der Leiter der Dienststelle.

19 Zivilfahrzeuge im Einsatz

Zwei Motorräder, zwölf Polizeiwagen und 19 Zivilfahrzeuge hat die VPI, alle stark motorisiert, um bei Verfolgungsjagden nicht abgehängt zu werden. „Im Schnitt haben wir eine Verfolgungsfahrt im Monat“, erzählt Pfeiffer. Drei der Autos sind mit Kameras ausgerüstet und können filmen und aufzeichnen, was vor und hinter dem Fahrzeug passiert.

Schrecklich zugerichtete Unfallopfer bekommen die Beamten immer wieder zu sehen. Und sie erleben Momente, die auch den erfahrensten Polizisten sehr nahe gehen. „Wenn wir drei tote Kinder aus einem Auto holen, wie vor zwei Jahren auf der A6, müssen auch wir die Tränen verdrücken. Oder wenn wir mit den Eltern in der Leichenhalle in Feucht am Sarg ihrer 21-jährigen Tochter stehen, bewegt uns das natürlich sehr“, erzählt Pfeiffer.

Wegen der vielen schweren Unfälle mit Lastwagen werden mittlerweile verstärkt Lkw kontrolliert. 1511 nicht verkehrssichere Fahrzeuge wurden dabei 2017 aufgegriffen. Das Hauptproblem sind sie aber nicht, wie Pfeiffer betont. Auch übermüdete Fahrer sind nur in den seltensten Fällen für schlimme Karambolagen verantwortlich.

Ablenkung durch Smartphones

Das Hauptproblem ist vielmehr, dass viele Fahrer extrem abgelenkt sind und nicht auf die Straße achten. Lkw-Fahrer schneiden sich während der Fahrt die Fingernägel, kochen im Führerhaus Kaffee oder essen genüsslich einen Döner. „Die rasen ungebremst in das Stauende. Trotz aller vorherigen Warnhinweise bleibt der Tempomat völlig unverändert eingestellt, das können wir ja nachweisen“, sagt Pfeiffer.

Am schlimmsten sei, dass so viele Fahrer auf der Autobahn an ihren Smartphones herumspielen und dabei sekundenlang im Blindflug unterwegs sind. „Selbst wenn wir mit Blaulicht neben sie fahren und mit der Kelle schwingen, nehmen die uns oft gar nicht wahr“, erzählt Pfeiffer.

„Teilweise haben sich der Egoismus und die Rücksichtslosigkeit auf der Autobahn verstärkt. Ein Problem ist auch: Früher hat man bei Tempo 160 geglaubt, die Ohren fliegen einem gleich weg, so laut war das Auto, heute kann man bei 200 noch eine leise Unterhaltung führen. Die Menschen merken nicht mehr, wie schnell sie eigentlich unterwegs sind“, sagt Pfeiffer.

Plädoyer für ein Tempolimit

Deshalb plädiert der Leiter der VPI Feucht auch für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. „Die Unterschiede der Geschwindigkeiten sind einfach zu groß und zu gefährlich“, meint er. Bei Verfolgungsjagden muss natürlich auch die Polizei mit mehr als 200 Sachen unterwegs sein. Doch nicht nur deshalb ist der Job gefährlich.

„Im Dezember hat ein Schneeräumer einen Streifenwagen abgeräumt. Der Kollege, der gerade auf der Autobahn einen Unfall aufgenommen hat, konnte sich nur durch einen Sprung über die Leitplanke retten“, erzählt Pfeiffer.

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