Axt-Angreifer von Würzburg "wollte Ungläubige töten"

19.7.2016, 23:10 Uhr
Der leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager gab am Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz Auskunft über den aktuellen Stand der Ermittlungen.

© dpa Der leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager gab am Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz Auskunft über den aktuellen Stand der Ermittlungen.

Nach der Axt-Attacke in einem Regionalexpress bei Würzburg gehen die zuständigen bayerischen Ermittlungsbehörden von einem politischen Hintergrund aus. Die Gewalttat sei "wohl politisch motiviert" gewesen, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager am Dienstag vor Journalisten in Würzburg. Er sprach von einer "brutalen Tat".

Der 17-jährige Attentäter hatte am Montagabend bei Würzburg-Heidingsfeld Fahrgäste mit einer Axt angegriffen und fünf Menschen schwer verletzt - die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) beanspruchte die Tat für sich. Laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass eine direkte Verbindung besteht. Vielmehr soll sich der 17-jährige Afghane, der als Flüchtling in Deutschland war, selbst radikalisiert haben.

Am Dienstagabend bestätigte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums die Echtheit eines Bekennervideos, das das IS-Sprachrohr Amak im Netz verbreitet hatte. Darin bekennt sich der spätere Attentäter zum IS. "Ich bin ein Soldat des Islamischen Staates und beginne eine heilige Operation in Deutschland", sagt er. Dabei hält er ein Messer in der Hand und erklärt weiter: "Wenn Gott will und ich Luft und Blut in meinem Körper habe, werde ich bis zum letzten Moment kämpfen. So Gott will werde ich Euch mit diesem Messer abschlachten und Eure Schädel mit Äxten einschlagen."

Am Samstag vor der Tat soll der 17-Jährige nach derzeitigem Erkenntnisstand der Ermittler die Nachricht erhalten haben, dass ein Freund von ihm in Afghanistan verstorben sei. Dies habe großen Eindruck auf ihn gemacht und ihn nachhaltig verändert, sagte Lothar Köhler vom bayerischen Landeskriminalamt (Lka).

"Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, daraufhin den Regionalzug von Ochsenfurt nach Würzburg bestiegen zu haben mit dem Vorsatz, Ungläubige zu töten und sich dafür zu rächen, was diese seinen 'Brüdern und Schwestern' angetan haben", sagte Oberstaatsanwalt Ohlenschlager.

Laut den Ermittlern traf er in der Regionalbahn zufällig auf eine Betreuerin aus seiner ehemaligen Asylunterkunft in Ochsenfurt. Nachdem die ihn angesprochen hatte, ging er wortlos in ein anderes Abteil. Auf der Zugtoilette habe er sich mit einer Axt und einem Messer bewaffnet, schilderte der leitende Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager den Stand der Ermittlungen.

Völlig unvermittelt griff er daraufhin eine chinesische Familie an, die sich auf der Rückfahrt von Rothenburg ob der Tauber nach Würzburg befand. Mit "absolutem Vernichtungswillen" habe er vier Mitgliedern schwerste Kopf- und Körperverletzungen zugefügt, sagte der leitende Oberstaatsanwalt. Zu dem Zeitpunkt befanden sich rund 20 Reisende in dem Abteil.

Während der Tat habe der Jugendliche mehrmals "Allahu akbar" ("Gott ist groß") gerufen. Auf dem Handy-Notruf einer Zeugin, der von der Polizei aufgezeichnet wurde, sei dieser Ausruf "deutlich zu verstehen", sagte Ohlenschlager. "Der gläubige Muslim war bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten", so der Oberstaatsanwalt.

Der 17-Jährige wohnte seit kurzem bei einer Pflegefamilie. In seinem Zimmer dort wurde ein College-Block mit einem handgemalten IS-Symbol gefunden sowie einer Textpassage, die wohl ein Abschiedsbrief an seinen Vater ist. Darin beklagte sich der Jugendliche "über Ungläubige und Taten, die diesen Ungläubigen zuzurechnen sind".

Vor allem eine Passage untermauere die Vermutung, dass die Tat mit einer islamistischen Überzeugung in Verbindung gebracht werden müsse. Der Jugendliche habe an seinen Vater geschrieben: "Jetzt bete für mich, dass ich mich an diesen Ungläubigen rächen kann und bete für mich, dass ich in den Himmel komme."

Dass der 17-Jährige "sein Werk" in der Regionalbahn nicht vollendete, führen die Ermittler darauf zurück, dass ein Passagier die Notbremse zog. Als der Zug bei Würzburg-Heidingsfeld abrupt auf offener Strecke stoppte, entriegelte der Jugendliche die Tür und sprang aus der Bahn. Er flüchtete und griff noch eine Spaziergängerin an, die gerade ihren Hund ausführte. Mit massiver Gewalt schlug er der Frau mehrmals mit der Axt ins Gesicht.


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Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei, das zufällig wegen eines anderen Einsatzes in der Nähe war, nahm die Verfolgung auf. Die Polizisten hätten in einer Notwehrsituation auf den 17-Jährigen geschossen und "in höchster Not keine andere Möglichkeit gehabt", so Bardo Backert, Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Würzburg. Mindestes vier Schüsse seien abgegeben worden. Wie viele Schüsse es genau waren, müsse die Obduktion zeigen.