Grafenrheinfeld: Die Zukunft nach dem Atom-Ausstieg

29.5.2015, 17:44 Uhr
Das AKW in Grafenrheinfeld geht nach 33 Jahren im Juni vom Netz.

© dpa Das AKW in Grafenrheinfeld geht nach 33 Jahren im Juni vom Netz.

Noch zieht der Wasserdampf in dicken weißen Wolken aus den zwei mächtigen Kühltürmen in den Himmel. Doch in wenigen Wochen verliert das unterfränkische Grafenrheinfeld dieses Erkennungsmerkmal. Dann bleiben die Kolosse ungenutzt.

Das Atomkraftwerk (AKW) wird in der zweiten Junihälfte nach mehr als 33 Jahren endgültig vom Netz gehen. Es läutet damit als ältestes noch aktives AKW die zweite Phase des 2011 beschlossenen deutschen Atomausstiegs ein. Damals wurden acht AKW sofort stillgelegt, neun sollten bis 2022 folgen. Den zweiten Anfang macht nun Grafenrheinfeld.

Das hat Folgen für den 3500-Einwohner Ort - auch wenn Grafenrheinfelds Bürgermeisterin Sabine Lutz (parteilos) die dicke Kröte bereits vor Jahren schlucken musste. "Für uns gab es schon vor drei, vier Jahren den großen Einschnitt. Seitdem musste Eon keine Gewerbesteuer mehr zahlen", sagt Lutz, die seit 2008 regiert.

Steuereinnahmen über Jahre gespart

Steuern in Höhe von mindestens 180 Millionen Euro habe Grafenrheinfeld in den vergangenen 30 Jahren mit dem AKW eingenommen. 2012 versiegte die bis dahin zuverlässige Steuerquelle durch das Atomkraftwerk. Sieben bis zwölf Millionen Euro fehlten seitdem jährlich in der Stadtkasse. Doch jammern will Lutz deshalb nicht. "Das haben wir zwei Jahre lang getan. Das reicht", sagt die 55-Jährige.

Auch viele Bürger sehen deshalb keinen Grund zum Schimpfen. "Wir hatten viele Vorteile. Der Ort konnte jahrelang im Überfluss leben", sagt die 60-jährige Annelore Dilba, während sie von ihrem Balkon aus auf die Kühltürme blickt.

Man sieht der Stadt den kontinuierlichen Geldsegen an. Die Dorferneuerung konnte vor drei bis vier Jahren abgeschlossen werden. Straßen, Kanalisation, Telekommunikation, Hochwasserschutz - alles ist grundlegend saniert, erneuert und ausgebaut.

Der Ort hat einen kostenlosen Naturbadesee, zwei Kitas, eine Grundschule, eine Bibliothek, eine Kulturhalle. Der Ort ist sauber, aufgeräumt. Es gibt kaum Schandflecken oder leerstehende Geschäfte und Häuser. "Wir konnten über Jahrzehnte alles machen, was wir uns ausgedacht haben", sagt Lutz. Umliegende Orte und Städte schauten durchaus neidisch auf Grafenrheinfeld.

Doch Lutz und ihre Vorgänger haben mit Blick auf den Atomausstieg auch früh die Weichen gestellt, Geld nicht sinnlos ausgegeben und gespart. "Teilweise hatten wir Rücklagen von bis zu 40 Millionen Euro. Das haben wir jetzt nicht mehr. Aber es geht uns auch nicht ganz schlecht", sagt die Bürgermeisterin.

Kita-Gebühren erhöhen sich jetzt

Dennoch merken die Bürger den Unterschied mittlerweile auch im Portemonnaie. Die Gemeinde erhöhte die Grundsteuer und hob die Kindergartengebühren an. Lutz: "Wir haben für unsere Verhältnisse extrem erhöht. Aber damit liegen wir nun im Landkreis-Durchschnitt."

Wirtschaftlich ist die Gemeinde längst nicht mehr vom Kraftwerk abhängig. Zahlreiche Firmen haben sich im Gewerbegebiet angesiedelt. Auf die 3500 Einwohner kommen rund 1200 Arbeitsplätze, gut 300 davon im AKW. "Grafenrheinfeld definiert sich nicht nur durch das Atomkraftwerk", sagt Bürgermeisterin Lutz.

Dennoch bleibt es auch in Zukunft ein Thema im Ort und der Umgebung. Denn der von Betreiber Eon geplante direkte Rückbau wird noch viele Jahre dauern und das Zwischenlager für den radioaktiven Müll hat eine Betriebserlaubnis bis 2046.

"Das AKW war vorher eine Gefahr und wird es auch in den nächsten Jahren sein", sagt Gudrun Endres. Sie führt in dritter Generation eine Eisdiele im Ort. "Auch, wenn der Dampf aus ist, es bleibt giftig."

Bürgerinitiative und Naturschützer fürchten zudem, dass mangels deutschem Endlager auch atomarer Müll aus anderen Orten ins Zwischenlager gebracht werden könnte. Auch seien drohende Flugzeugabstürze nicht ausreichend thematisiert worden.

"Hier muss Eon nachbessern oder Alternativen finden", sagt Edo Günther vom Schweinfurter Bund Naturschutz in Bayern. Eine Möglichkeit wäre, die Kuppel als alternative Lagermöglichkeit nicht abzureißen.

Die massiven Kühltürme dagegen dürften Günther zufolge gern sofort verschwinden. "Nur dann kann man sich sicher sein, dass das Ding nicht wieder angestellt wird, denn ohne Kühltürme geht das nicht."

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