Theater im Gärtnerviertel beleuchtet den NSU

6.2.2017, 17:30 Uhr
Theater im Gärtnerviertel beleuchtet den NSU

© Werner Lorenz

Kaum ein Trio hat die Gazetten und Nachrichtenportale seit 2011 so beschäftigt wie Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die Gründer des "nationalsozialistischen Untergrunds". Die Vereinigung wird für insgesamt zehn Mordanschläge an Migranten und einer Polizistin verantwortlich gemacht. Im laufenden Prozess hat Beate Zschäpe einmal ausgesagt, Böhnhardt und Mundlos sind tot.

Ihrer Geschichte nähert sich die Berliner Autorin Olivia Wenzel an. Das TIG bringt den Fall in der Inszenierung von Heidi Lehnert ins Foyer des landratsamtlichen Gärtnerhauses nach Bamberg. Dabei wird die Erwartungshaltung des Publikums auf die Probe gestellt. Eine schlichte Dokumentation der Ereignisse darf man nicht erwarten. Es ist mehr. Zwar werden Schlagzeilen per Megafon verkündet, aber eben auch nachbarschaftliche Sympathiebekundungen über das im bürgerlichen Leben geachtete Terrorgespann verlesen oder ihre kruden Gedankengänge beim Chipsessen vor dem TV als heimlich eingebettet. Per direkter Ansprache wird der Zuschauer ferner gelungen ins Geschehen eingebunden und zum Nachdenken angeregt. Anmerkungen zur eigenen Passivität, weichgespülten Medienmeinung, fehlenden Courage oder zum Reiz des Verbotenen zwingen geradezu zur Selbstreflexion. Das angedachte Ankreuzen eines mit steilen Thesen gespickten Zettels in der Pause dient weniger der statistischen Meinungsumfrage als der Verunsicherung des Einzelnen.

Der Hass als aktives Missvergnügen

Die Vielschichtigkeit der Aufarbeitung spiegeln die Kostüme: So kommen Täter (in Camouflage), Opfer (in Weiß) und gar der personifizierte Hass zu Wort. Bei den Requisiten ist weniger mehr. Umzugskartons, Papier, Filzstift und ein Plüschpanther reichen zur Untermalung. Die Mise en Scene besteht im Wesentlichen aus einer Treppe und einem Aufzug.   

Theater im Gärtnerviertel beleuchtet den NSU

© Werner Lorenz

"Der Hass ist ein aktives Missvergnügen", wusste schon Goethe. In der TiG-Inszenierung wird ihm Raum gegeben, er zum Gegenstand der Ereignisse gemacht. Ursula GumbschStephan Bach und Benjamin Bochmann wissen dennoch oder gerade deshalb in verschiedenen Rollen stimmgewaltig zu gefallen. Gemeinsam wirken sie einer verfehlten NSU-Mystifizierung entgegen, halten den Zuschauer zur politischen Willensbildung sowie Auseinandersetzung mit unbequemen Zeitgeschehen an. Angst haben oder den moralischen Zeigefinger fürchten, muss trotzdem niemand, das Stück und seine Darsteller wissen rund zwei Stunden spannend zu unterhalten – zeitgenössisches Theater in Reinform.

Weitere Vorstellungen: 07., 11. Februar (20 Uhr) | 12., 19. Februar (17 Uhr). Spielort: Gärtnerhaus des Landratsamts in der Kaimsgasse 23, Bamberg.   

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