Bamf-Chef Sommer: "Ohne Abschiebehaft geht es nicht"

8.2.2019, 16:04 Uhr
Hans-Eckhard Sommer ist der neue Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

© Stefan Hippel Hans-Eckhard Sommer ist der neue Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

Herr Sommer, wie führen Sie das Haus im Unterschied zu Ihren Vorgängern Jutta Cordt und Frank-Jürgen Weise?

Dr. Hans-Eckhard Sommer: Ich kann natürlich keine Aussagen dazu treffen, was meine Vorgänger anders gemacht haben. Ich persönlich lege großen Wert auf ein gutes Miteinander, gehe offen auf die Mitarbeiter zu und habe auch die Streitigkeiten mit den Personalräten schnell erledigt. Ein Vorteil ist dabei mit Sicherheit, dass ich schon lange mit dem Thema Asyl zu tun habe, was auch im Haus gut ankommt.

Was tun Sie, um die Identitätsfeststellung bei Asylsuchenden zu verbessern? Helfen die neuen technischen Hilfsmittel da wirklich – Stichwort Dialekterkennung?

Sommer: Es ist für uns ein wertvolles zusätzliches Mittel im Asylverfahren. Es ist ja wenig, wenn man ausschließlich auf die mündlichen Aussagen der Betreffenden angewiesen ist. Jede Möglichkeit zur weiteren Verifizierung der Angaben erhöht einfach die Qualität unserer Arbeit und der Asylbescheide. Ein Beispiel: Früher war das Ausländerzentralregister voll mit sogenannten Alias-Namen, weil jede Behörde den Namen anders verstanden und eingegeben hat. Das können wir jetzt dank der neuen Technik vermeiden. Ich könnte mir Asylverfahren mittlerweile ohne Einsatz dieser Mittel gar nicht mehr vorstellen.

Immer wieder sorgen auch hier in Nürnberg Fälle für Aufregung, bei denen hochschwangere Frauen oder Kranke abgeschoben werden sollen. Warum diese harte Linie?

Sommer: In all diesen Fällen liegen ablehnende Bescheide des Bundesamtes vor und regelmäßig auch Gerichtsentscheidungen, die diese bestätigen. Dann muss man sich jeden Einzelfall noch einmal anschauen. Man darf sich auf keinen Fall auf die Angaben der Flüchtlingshilfsorganisationen beschränken. Die Ausländerbehörden, die für die Abschiebungen zuständig sind, verfügen oft über ganz andere Informationen. Ich habe in meiner früheren Funktion viele Fälle, die für Schlagzeilen gesorgt haben, auch vor dem Hintergrund des Behördenwissens beurteilen können. Ich kann versichern, dass all diese Fälle rechtlich einwandfrei abgelaufen sind.

Neben Abschiebungen, bei denen viele den Kopf schütteln, gibt es auch zwingende, die aber nicht vollzogen werden ...

Sommer: Das liegt oftmals auch an der europäischen Gesetzgebung. Wir haben da teilweise sehr einschränkende Regelungen und es gelingt oft nicht, die Betreffenden in Abschiebehaft zu nehmen. Man muss sich fragen, warum Europa ein Trennungsprinzip von Abschiebegefangenen zu anderen Gefangenen vorgegeben hat. Dadurch gibt es viel zu wenige Abschiebehaftplätze in Deutschland. Ohne Abschiebehaft aber geht es nicht. Da sind in meinen Augen einige Rechtsänderungen zwingend erforderlich. Ebenso wie Kooperationsvereinbarungen mit Herkunftsländern, die ihre Staatsbürger wieder einreisen lassen müssen. Aber das sind Probleme, die man nicht von heute auf morgen erledigen kann.

Was halten Sie vom sogenannten "Spurwechsel", also der Möglichkeit, dass nicht anerkannte Asylbewerber trotzdem eine Chance zum Verbleib in Deutschland bekommen, wenn sie eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz haben?

Sommer: In dieser Diskussion würde ich mich über ein wenig mehr Sachverstand freuen. Wir haben in den letzten Jahren unser Aufenthaltsrecht vollgepackt mit diversen Möglichkeiten zum Verbleib. Das wird häufig nicht zur Kenntnis genommen und da frage ich mich dann schon, was die Diskussion um den "Spurwechsel" soll. Zumal das auch eine Folgewirkung hat. Wir machen uns damit im Ausland meines Erachtens auch immer attraktiver für illegale Zuwanderung, das halte ich für falsch und gefährlich. Der Staat muss die Arbeitsmigration steuern können, das geht nur durch klare Rechtsregeln, wie sie auch der Entwurf für ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz enthält.


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Ist Deutschland zu attraktiv für illegale Einwanderung?

Sommer: Ich sehe schon die Gefahr, dass in Deutschland die Diskussion teils einseitig darüber geführt wird, wie illegal Eingereiste hier in Arbeit zu bringen sind. Das sollte man unterlassen. Bei diesem Thema muss man vorsichtig sein und stattdessen ein deutliches Signal aussenden: Wer in Deutschland arbeiten will, muss sich dazu auf den legalen Weg begeben.

Sie haben das Konzept der sogenannten Anker-Zentren mit entwickelt. Die Kritik von Flüchtlingshelfern an den Einrichtungen ist nach wie vor groß ...

Sommer: Ich bin der festen Überzeugung, dass das Prinzip der Ankerzentren, in denen alle am Verfahren beteiligten Behörden zusammenwirken, richtig ist. Wir entscheiden mittlerweile im Schnitt innerhalb von drei Monaten, oftmals sehr viel schneller, über den Asylantrag, und nach einer positiven Entscheidung kann jeder diese Einrichtung verlassen. Aufgrund der Größe der Einrichtungen kann man auch nicht behaupten, dass die Menschen dort eingepfercht oder eingesperrt wären. Es stimmt, dass es gelegentlich zu Polizeieinsätzen kommt. Aber mit entsprechendem Sicherheitspersonal vor Ort ist das in den Griff zu bekommen und das ist kein Phänomen der Anker-Zentren

Gibt es schon eine Prognose, wie sich die Flüchtlingszahlen für das laufende Jahr entwickeln könnten?

Sommer: Das traue ich mir nicht zu. Die weiteren Entwicklungen in den Herkunftsstaaten lassen sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehen. Wir haben in den letzten Jahren eine leicht abnehmende Tendenz. Nach wie vor sind die Zahlen etwa im Vergleich zu 2010 immer noch hoch und wie es weitergeht, hängt zum Beispiel auch von den Flüchtlingsrouten ab.


Das komplette Interview mit Hans-Eckhard Sommer lesen Sie in der Freitagsausgabe der Nürnberger Nachrichten. 

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