Bayern will Balkan-Flüchtlingen künftig Geld kürzen

28.4.2015, 19:10 Uhr
Die Staatsregierung will Balkan-Flüchtlingen künftig Geld kürzen - und sorgt dafür für eine Kontroverse.

© dpa Die Staatsregierung will Balkan-Flüchtlingen künftig Geld kürzen - und sorgt dafür für eine Kontroverse.

Die Staatsregierung will mit einer neuen Bundesratsinitiative Asylbewerbern aus Südosteuropa den Unterhalt kürzen - und erntet damit scharfen Widerspruch. Bis zum 23. April seien dieses Jahr 57.000 Menschen aus den Balkanstaaten nach Deutschland gekommen - fast die Hälfte aller Asylbewerber, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) am Dienstag nach der Kabinettssitzung in München.

Die Staatsregierung hofft, die Zahl der Asylanträge aus Ex-Jugoslawien, dem Kosovo und Albanien reduzieren zu können. "Diese Leute bekommen quasi zu null Prozent Anerkennung (als Asylbewerber)", sagte Huber. Flüchtlingsrat, SPD und Grüne kritisieren die Ankündigung scharf.

Umkehr der Beweislast

Die Erfolgsaussichten des Vorstoßes im Bundesrat dürften gering sein. Asylbewerber vom Westbalkan sollen nicht nur weniger Geld bekommen. Die Staatsregierung plädiert auch für eine Umkehr der Beweislast.

Bisher müssen die Behörden nachweisen, dass jemand nicht verfolgt wird, um einen Asylantrag abzulehnen. Nach Vorstellung des Kabinetts sollen die Asylbewerber aus diesen Ländern künftig beweisen müssen, dass sie verfolgt werden, um in Deutschland bleiben zu können.

Der Flüchtlingsrat hält den Vorstoß für verfassungswidrig, weil das Bundesverfassungsgericht 2012 die Schlechterbehandlung von Asylbewerbern für unrechtmäßig erklärt hatte. "Das geht schlicht nicht", sagte Alexander Thal vom Flüchtlingsrat. Die SPD-Abgeordnete Angelika Weikert warf der CSU Stimmungsmache vor, ebenso die Grünen. "Der Vorstoß der CSU ist bloßes populistisches Säbelrasseln und Wasser auf die Mühlen fremdenfeindlicher Hassprediger", sagte ihre Abgeordnete Christine Kamm.

Sozialministerin Emilia Müller (CSU) wies die Kritik umgehend zurück: "Wir umgehen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in keinster Weise", sagte sie. "Das Bundesverfassungsgericht hat die Kürzungsmöglichkeit nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht beanstandet."

Bauprogramm für Wohnungen

Gleichzeitig wächst in der Staatsregierung die Sorge vor sozialen Spannungen. Staatskanzleichef Huber kritisierte den Passauer SPD-Oberbürgermeister (OB) Jürgen Dupper. Der OB hatte unter Verweis auf die Asylkosten Kürzungen städtischer Dienstleistungen angekündigt. "Es wundert mich, dass gerade ein Sozialdemokrat beginnt, diese für die Gesellschaft hochgefährliche Situation zu spielen", sagte Huber.

Um Konflikten vorzubeugen, denkt die Staatsregierung über ein Bauprogramm mit bis zu 5000 günstigen Wohnungen nach. "Es geht um Wohnungen im niedrigen Preissegment", sagte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU). "Das ist der Bereich, in dem wir schlecht aufgestellt sind." Bis Ende Mai soll der Plan stehen.

Das Thema Flüchtlinge bringt zudem die üblichen politischen Fronten durcheinander. Grüne und Wirtschaftsvertreter plädierten am Dienstag einvernehmlich dafür, die Hindernisse für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt einzureißen. Die Unternehmen suchen Lehrlinge und Fachkräfte, die Grünen stellen die Integration in den Vordergrund.

Flüchtlinge könnten Lehre absolvieren

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern forderte, jungen Asylbewerbern mindestens fünf Jahre Aufenthaltsrecht zu gewähren, wenn sie eine Ausbildung anfangen und sich gesetzestreu verhalten. Damit könnte ein Flüchtling eine dreijährige Lehre absolvieren und anschließend mindestens zwei Jahre in dem betreffenden Betrieb bleiben.

IHK-Chef Peter Driessen plädierte dafür, schon beim Asylantrag die berufliche Qualifikation neu ankommender Asylbewerber abzufragen und von Beginn an Deutschunterricht zu erteilen. Die Handwerkskammer für München und Oberbayern hofft, dringend benötigte Lehrlinge zu finden. 2014 seien 4700 Ausbildungsplätze nicht besetzt worden, sagte Hauptgeschäftsführer Lothar Semper - "Tendenz steigend".

Grünen-Landtagsfraktionschefin Margarete Bause betonte, Bildung und Arbeitsplätze seien der beste Weg zur Integration. «Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, diesen Menschen zu helfen.»

Verwandte Themen


7 Kommentare