Bayern will Tiertransporte stoppen: "Das muss ein Ende haben"

21.2.2019, 17:13 Uhr
Bayern will Tiertransporte stoppen:

© Hans-Jürgen Wege/dpa

"Es ist unerträglich", sagt Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. "Unerträglich", und "moralisch nicht hinnehmbar", wenn Tiere unter teils dramatisch schlechten Bedingungen quer durch Europa gekarrt werden. Der Freistaat will deshalb jetzt Viehtransporte drastisch einschränken - zumindest solche, deren Ziel außerhalb der EU liegt. Grundsätzlich werde man etwa keine Exporte von Zuchtrindern mehr genehmigen, die aus der Union in Länder gebracht werden, in denen deutsche Tierschutzstandards regelmäßig nicht eingehalten werden. Das erklärte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber nach einem Runden Tisch mit Behörden, Veterinären und Tierschützern.

Konkret soll eine Liste mit Ländern erstellt werden, in die Transporte künftig untersagt sind -  und das schon bald, wohl in der kommenden Woche. Bis dahin gilt ein Stopp für Exporte. Der Tierschutzbund, der ebenfalls an dem Runden Tisch teilnahm, veröffentlichte nun eine Liste mit 13 Staaten, die sich sich darauf finden könnten: Ägypten, Libanon, Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Iran, Aserbaidschan, Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan und Kirgistan. Diese Länder zumindest fanden sich nach Angaben der Organisation in einem Schreiben, dass an alle Teilnehmer des Runden Tischs ging. Auf nordbayern.de-Nachfrage wollte das Umweltministerium die Liste des Tierschutzbundes nicht bestätigen. "Da ist vieles noch im Fluss", sagte eine Sprecherin.

30.000 Rinder gingen in die Türkei

"Tierschutz endet nicht an der Landesgrenze", sagt Umweltminister Thorsten Glauber. "Wir setzen das Thema deshalb auch auf Bundes- und EU-Ebene auf die Agenda. Wir brauchen schnellstmöglich eine klare und einheitliche Regelung durch die EU-Kommission." Auch die Rechtslage für Veterinäre ist bislang unklar. Das Ministerium teilt die Einschätzung vieler Experten, dass die Amtsärzte bei entsprechender Genehmigung dubioser Transporte später wegen der Beihilfe zu Tierschutzverstößen verurteilt werden könnten.

Dass Bayern nicht auf eine EU-Richtlinie wartet, sondern schon jetzt eigenständig eine Verbotsliste aufsetzen will, begrüßen Tierschützer. Ein Beispiel, dem alle Bundesländer folgen sollten, sagen sie - aber auch ein Vorstoß, der überfällig sei. Doch es droht Ärger. Der Tierschutzbund etwa vermisst die Türkei auf der Verbotsliste. 2017 gingen etwa von insgesamt 81.000 Zuchtrindern, die in Drittstaaten exportiert wurden, 30.000 in das Land am Bosporus. Und eben dort seien die Bedingungen besonders schlecht.

Laster stehen oft tagelang an der Grenze

Der Tierschutzbund rechnet vor: Sollte ein Transport in die Türkei gesetzeskonform ablaufen, dauert er circa 91 Stunden. Liegt das Ziel im Osten des Landes, dann dauert es dementsprechend noch länger. "Das bedeutet, die Rinder werden 29 Stunden lang transportiert, bevor sie den Laster das erste Mal verlassen", heißt es in der Mitteilung. Erst dann bekommen sie eine 24-stündige Pause. "Wie bekannt ist, versuchen Rinder so lange zu stehen, wie es ihre Kräfte ihnen erlauben, obwohl es besonders erschöpfend ist, die Fahrtbewegungen auszubalancieren."

Auf den Transporten, die Tausende Kilometer quer durch Europa gehen, sei eine ausreichende Versorgung mit Wasser und Futter nicht möglich, so die Tierschützer. Besonders die Wartezeit an der bulgarisch-türkischen Grenze setze den Rindern zusätzlich zu. Im günstigsten Fall stehen Laster dort sechs Stunden, oft dauere es aber auch Tage. Ohne Schatten, ohne Wasser, ohne Futter. 

"Das Tier erleidet in dieser Zeit größte Schmerzen"

Warum die Türkei bislang nicht auf der Liste auftaucht, ist unklar. Tierschützer argumentieren aber: Die Probleme in dem Land seien besonders gut dokumentiert, die Bedingungen keinesfalls besser als in den Staaten, die auf der Verbotsliste auftauchen sollen. "Es existiert kein gesetzlicher Schutz ", wird etwa der Tierschutzbund deutlich. Geschlachtet werde grundsätzlich ohne Betäubung, Rinder etwa an den Hinterhufen aufgehängt und unbetäubt geschächtet. "Der Tod und die Bewusstlosigkeit treten oft erst nach 20 bis 30 Minuten ein, das Tier erleidet in dieser Zeit größte Schmerzen." Meistens werden die aus Deutschland importierten Rinder als Zuchttiere gehandelt, allerdings gehe der Milchkonsum in der Türkei seit Jahren zurück. Die Tiere werden, so der Tierschutzbund, über "kurz oder lang doch geschlachtet". 

Die Diskussion um internationale Tiertransporte schwelt seit Jahren. Erst kürzlich schob das Veterinäramt im niederbayerischen Landshut der Praxis einen Riegel vor. Eine trächtige Kuh sollte rund 5000 Kilometer nach Usbekistan gebracht werden. Die deutschen Behörden sprachen aber von Tierquälerei und stoppten den Export. Mehrere Kreise in Schleswig-Holstein zogen nach. 

Jetzt also eine bayernweite Regelung? Darauf hoffen Tierschützer. Transporte soll es aber auch weiterhin geben, das stellte das Umweltministerium bereits klar. Zumindest solche innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union, wenn keine rechtlichen Bedenken vorliegen. 

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