Beckstein im Interview: So kann Söder ganz Bayern gewinnen

9.2.2018, 05:58 Uhr
Günther Beckstein (74) gehörte von 1974 bis 2013 dem bayerischen Landtag an. Unter anderem war er bayerischer Innenminister von 1993 bis 2007 sowie Ministerpräsident von Oktober 2007 bis Oktober 2008. Seit 2014 ist der gebürtige Hersbrucker Ehrenbürger der Stadt Nürnberg.

© Foto: Peter Roggenthin Günther Beckstein (74) gehörte von 1974 bis 2013 dem bayerischen Landtag an. Unter anderem war er bayerischer Innenminister von 1993 bis 2007 sowie Ministerpräsident von Oktober 2007 bis Oktober 2008. Seit 2014 ist der gebürtige Hersbrucker Ehrenbürger der Stadt Nürnberg.

Herr Beckstein, Sie waren als Hippie mit Ihrer Frau Marga auf der Veitshöchheimer Faschingssitzung und haben den höchst umstrittenen Beitrag der "Altneihauser Feierwehrkapell’n" gesehen. War er so schlimm?

Günther Beckstein: Naja. Es hat für mich überhaupt keinen Sinn gemacht, warum man sich über Macron und seine Ehefrau auslässt. Es war ja keine Botschaft damit verbunden. Offen gestanden haben die früher in einer Weise über den Silvio Berlusconi hergezogen, die ich noch peinlicher fand. Und nicht alles, was sie über den Trump gesagt haben, war stubenrein.

Den Machtkampf im Herbst zwischen Markus Söder und Horst Seehofer fanden auch nicht alle ganz stubenrein. Was hat das mit der Partei gemacht?

Beckstein: Wenn Macht übergeht, dann sind solche öffentlichen Auseinandersetzungen in gewisser Weise unvermeidlich in einer Partei mit mehr als 100.000 Mitgliedern und mehreren Tausend Ortsverbänden. Trotzdem: Das bringt sie natürlich in eine ganz schwierige Situation. Die einen folgen als treue Anhänger Seehofer, die anderen folgen der neuen Richtung. Das ergibt Wunden, denn Menschen haben ein Gedächtnis. Aber es war gut, diese Auseinandersetzungen noch vor Weihnachten beizulegen. Auch wenn daraus vielleicht nicht die beste Freundschaft entsteht.

Wo sehen Sie Seehofer in den nächsten Jahren?

Beckstein: Es ist gut, dass er nach Berlin geht, als Bundesminister und Parteivorsitzender, und Markus ist Ministerpräsident. Dann ist ein gemeinsamer Landtagswahlkampf gut möglich.

Die Situation für Markus Söder ist schwierig. Er wird voraussichtlich im ersten Quartal Ministerpräsident und muss gleich Wahlkampf machen.

Beckstein: Es ist ein enger Zeitrahmen. Er hat gerade mal ein halbes Jahr Zeit. Aber Markus wusste das und er wollte den Wechsel. Er bereitet sich mit großer Präzision auf die Aufgabe vor und ich bin überzeugt: Er wird das gut meistern.

Sie als letzter fränkischer Ministerpräsident hatten ja keine allzu lange Amtszeit. Wie lange sagen Sie dem zweiten voraus?

Beckstein: Ich prognostiziere ihm nicht mehr als zehn Jahre im Amt (Söder möchte die Amtszeit auf zehn Jahre begrenzen, Anm. der Redaktion). Mein Wunsch ist, dass er über viele Jahre das Amt gut ausfüllt. Er weiß genau, welche Probleme bei mir aufgetaucht sind, er hat das bei mir ja miterlebt. Er ist nicht nur der Ministerpräsident für Franken. Die Herausforderung besteht darin, auch Oberbayern zu gewinnen. Die "Mir-san-mir-Bayern" sind sicher ein Thema. Aber Markus Söder hat es in der Landtagsfraktion verstanden, die oberbayerische Szenerie für sich zu gewinnen.

Erklären Sie uns die "Mir-san-mir-Bayern" etwas näher.

Beckstein: Es ist vielleicht geringer geworden als früher, auch Oberbayern hat sich verändert durch viele Zuzüge. Die sitzen einem in Versammlungen so (Beckstein verschränkt die Arme und schaut mürrisch) gegenüber und denken sich: "Was will jetzt der von uns?". Es gibt dort ein Selbstbewusstein, was bei uns in Franken nicht in dem Maße vorhanden ist. Das wird dann noch überlagert mit sehr wohlhabenden Verhältnissen, wenn man etwa ein paar Hektar im Umfeld von München hat. Das führt zu einer bestimmten Mentalität.

Wie sehr muss Markus Söder in Bayern die AfD fürchten?

Beckstein: Sie kennen alle das Grundprinzip von Franz Josef Strauß, dass rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei entstehen darf. In meiner Zeit waren das die Republikaner. Wir haben sie dadurch klein gehalten, indem wir ihnen Themen weggenommen haben. Wir haben die Auseinandersetzung aber auch gesucht, wo sie Grenzen überschritten haben. Das ist meines Erachtens die zentrale Aufgabe der CSU bei der AfD. Das Problem ist, dass die AfD das Zuwanderungsthema bereits aufgegriffen hat, was völlig legitim ist. "Zuwanderung steuern und begrenzen" war ein zentraler Satz, den ich einmal im Kompetenzteam von Angela Merkel formuliert habe. Und dass 2015 weder die Steuerung noch die Begrenzung funktioniert hat, ist offensichtlich. Dadurch hat die AfD einen Riesenschub bekommen.

Wo liegen für einen Ministerpräsidenten Markus Söder die größten Herausforderungen in Bayern?

Beckstein: In einer Zeit, in der der Wandel immer schneller wird, darin, die Lebensbedingungen für die Menschen zu gestalten, einmal von den sachlichen Voraussetzungen her, aber auch von dem Thema Heimat, so dass die Menschen ein Stück Geborgenheit behalten. Sehen Sie, wie dramatisch sich alles ändert, wie rasch sich ein Konzern wie Siemens ändert. Oder im Bereich der Automobilindustrie. Aber dass die Menschen sich geborgen fühlen können, dass war immer die Stärke der CSU.

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