Billiger Rausch? Hortensien-Diebe in Franken unterwegs

SCHWABACH - Jedes Jahr dasselbe: Wenn manche Gartenbesitzer nach dem Winter ihre Beete und Büsche wieder herrichten, bemerken sie, dass sich Unbekannte an den Hortensien zu schaffen gemacht haben. Was ist dran an den Gerüchten?

Gerda Guthy ist stinksauer. Überall seien die Hortensien gekappt worden, sowohl in ihrem Garten als auch bei den Nachbarn, berichtet die Blumenfreundin aus Schwabach. "Dass man die nicht erwischt? Die Stöcke brauchen ein Jahr, bis sie wieder nachwachsen", ärgert sie sich.

Im Gespräch mit Bekannten hat Guthy erfahren, dass in den einige Kilometer entfernten Gemeinden Büchenbach und Kammerstein (Landkreis Roth) ebenfalls Hortensien gekappt wurden. Und aus dem benachbarten Rednitzhembach meldet Ralph Sauer, dass einige Blüten an einem Stock sauber abgeschnitten worden seien. Die Täter hatten sich allem Anschein nach nicht von dem Bewegungsmelder in seiner Einfahrt abschrecken lassen.

Das Phänomen ist nicht neu. Seit einigen Jahren plündern nicht nur in Schwabach und Umgebung Diebe Blumenrabatten mit Hortensien. Nicht weil die Blume so schön ist, sondern wahrscheinlich wegen des Irrglaubens mancher Drogenkonsumenten, die sich einen billigen Rausch aus dem Vorgarten versprechen. In einschlägigen Internet-Portalen wird von einer marihuanaähnlichen Wirkung berichtet, wenn man die getrockneten Herbsttriebe der Sträucher raucht.

Blausäure durch Blumen-Joint

Eine solche Wirkung ist laut Christa Merfert-Diete von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen jedoch nicht belegt. Weder die Blüten noch andere Bestandteile der Hortensie enthielten irgendwelche psychoaktiven Substanzen wie Tetrahydrocannabinol (THC), die einen mit dem Haschischkonsum vergleichbaren Effekt auslösen können.

Bei der Aufnahme von Hortensien in Form eines Blumen-Joints können allerdings erhebliche Mengen von Blausäure freigesetzt werden. Die unter Umständen auftretenden Schwindelgefühle, Beklemmungen und zentralnervösen Störungen sind dann nicht die Symptome eines rauschhaften Zustandes, sondern die einer akuten Vergiftung. Die aufgenommenen Stoffe können auch die Atmung blockieren, so dass solche Drogen-Experimente oft in der Notaufnahme eines Krankenhauses enden. "Trotzdem probiert es wohl immer wieder einmal jemand aus, weil in den sozialen Netzwerken irgendein Unfug kursiert", bedauert Christa Merfert-Diete.

Juristisch müssen die Hortensien-Konsumenten – abgesehen von den Sanktionen für Diebstahl und Hausfriedensbruch – keine Konsequenzen fürchten. Die Stoffe der farbenprächtigen Pflanze, die im 18. Jahrhundert den Weg aus dem Fernen Osten nach Europa gefunden hatte, sind nicht im Betäubungsmittelgesetz erfasst. Der Verkauf oder der Händel ihrer Blüten und Blätter ist nicht strafbar.

Kein Fachmann kann deshalb sagen, welche Dimension das Problem Hortensien-Klau beziehungsweise Hortensien-Konsum in der Region tatsächlich hat. "Es wurden in den vergangenen Jahren zwar immer wieder Diebstähle angezeigt, aber es ist schwierig, eine verlässliche Zahl zu nennen", erklärt Rainer Seebauer vom Polizeipräsidium Mittelfranken.

Anzeige bedeutet Aufwand

Auch deshalb, weil es mancher Gartenbesitzer nach den Wintermonaten vielleicht gar nicht merkt, dass einige Triebe in seinen Sträuchern fehlen. Andere scheuen wohl auch den Aufwand einer Anzeige, weil sie die Chancen, dass die Täter ermittelt werden, als ziemlich niedrig einschätzen.

In den vergangenen Jahren hatten sich nach entsprechenden Polizeimeldungen und Berichten in der Zeitung aber stets weitere Betroffene gemeldet: "Wir haben mittlerweile – schweren Herzens – auch die zweite, wunderschön große Bauernhortensie aus unserem Garten entfernt", schreibt Adelheid Habiger. Jedes Jahr aufs Neue seien Fremde in ihren Garten eingedrungen und hätten drauflosgeschnitten, klagt die Schwabacherin. Auch im Garten ihrer Eltern wurden jedes Jahr mehrere Sträucher "abgeerntet".

Auch Lisbeth Schreier aus Röthenbach/St.W. wird immer wieder von Dieben heimgesucht, sie widerspricht energisch der Vermutung, ein Tier könne die Blüten abgefressen haben: "Ich kenne kein Tier, das sich nebenan den Eimer holt — und dann hängt er ein paar Tage später wieder am Gartenzaun."