Blockheizkraftwerk-Prozess: Bringt ein Video die Wende?

2.11.2012, 11:53 Uhr
GfE-Entwickler Karl M. sieht sich als Opfer der Konkurrenz, die sich gegen ihn verschworen habe.

© Eduard Weigert GfE-Entwickler Karl M. sieht sich als Opfer der Konkurrenz, die sich gegen ihn verschworen habe.

Der historische Schwurgerichtssaal 600 des Nürnberger Justizpalasts hat schon lange kein solches Spektakel mehr erlebt. Noch mindestens bis Juni 2013 werden sich vor den Schranken 13 Angeklagte, zwei Dutzend Verteidiger, Sachverständige und Zeugen drängeln.

Auf der Richterempore sitzen ein Berufs-, zwei Laienrichter sowie ein Ersatzschöffe. Die Staatsanwaltschaft ist gleich doppelt vertreten. Die ursprüngliche Zahl der Verhandlungstage wurde kräftig aufgestockt. Denn viele Fragen sind noch offen, etliche Widersprüche unaufgelöst. An diesem Montag (5. November) wird der Prozess fortgesetzt.

Das Nürnberger Unternehmen GfE bot Blockheizkraftwerke in Containern an. Die Mini-Kraftwerke sollten, mit Pflanzenöl betrieben, 20 Jahre lang 30-prozentige Jahresrenditen garantieren. Das Geschäftsmodell sah nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wie folgt aus: Die Kunden kaufen ein Blockheizkraftwerk von der GfE-Gruppe, die sich weiterhin um den Betrieb kümmert und jeden Monat eine Pacht überweist.

1000 Euro monatlich bei einem Investment von 40.000 Euro plus Umsatzsteuer – das lockte viele Anleger. Das weit verzweigte Unternehmen hatte jedoch laut Anklageschrift gar keinen funktionierenden Geschäftsbetrieb und arbeitete mit einer Art Schneeballsystem: Das Geld neuer Kunden floss an die bereits bestehenden Kunden, und alle waren zunächst zufrieden.

Wundermaschine mit viel Wasser und wenig Öl

Auch sich selbst bedachten die Beteiligten großzügig, wie die Ermittler herausfanden. Am Ende waren 1547 Anleger 62.161.528,49 Euro los. Was mit normalen Blockheizkraftwerken bislang keinem Hersteller gelang, wollte GfE mit einer Technologie schaffen, die sie in Prospekten als „Energy Saving System“ anpries, kurz „ESS“.

Doch in dem Prozess erklärte der angeklagte Produktionsgeschäftsführer: „ESS - das waren nur vier Striche von mir auf einem Blockschaltbild“. Dass eine solche Technologie nur als vage Idee existierte, hat inzwischen auch einer der beiden GfE-Gründer bestätigt.

Die GfE-Wundermaschine sollte mit viel Wasser und wenig Pflanzenöl hochwirksam Strom erzeugen. Gutachter von TÜV Süd und DEKRA hatten dem Prototypen einen elektrischen Wirkungsgrad von bis zu 91 Prozent bestätigt. Marktübliche BHKW wandeln meist weniger als 50 Prozent der Ölenergie in Strom um. Der Rest werde zu Wärme, bestätigte ein Thermodynamik-Professor vor Gericht.

Das stützt die Behauptung der Staatsanwaltschaft, die Angeklagten hätten gewusst, dass weder der hohe Wirkungsgrad noch die mit 30 Prozent sehr hohe versprochene Jahresrendite möglich gewesen seien.

Blockheizkraftwerk speiste Strom ein

Fest steht nach dem Prozessverlauf: Mehr als 1400 Maschinen wurden im Verlauf des Jahres 2010 verkauft. Über längere Zeit hochwirksam funktioniert hatte wohl keine. Und ans Stromnetz angeschlossen hatte GfE nur zwei Container mit Pflanzenöl-Stromerzeugern in bekannter Technik ohne Wasser-Öl-Gemisch.

Die Behauptung der Staatsanwaltschaft, es habe bei der GfE nie ein Geschäftsbetrieb existiert, ist im Laufe des Prozesses allerdings zunehmend ins Wanken geraten. Einer der Hauptbelastungszeugen, ein GfE-Einkäufer, berichtete nämlich vor Gericht: „Hunderte Motoren waren bestellt und ganz bezahlt, weitere 1000 zu 30 Prozent angezahlt.“

Und dann überraschte eine Filmvorführung Anwälte wie Angeklagte in dem Prozess. Auf zwei Polizei-Videos war zu sehen, wie Ermittler am 30. November 2010 die Geschäftsräume der GfE in Nürnberg durchsuchen.

Auch wenn ziemlich viel Chaos in der Werkstatthalle herrscht: Während des etwa 30-minütigen Films tuckert vernehmlich im Hintergrund immer ein Motor. Das Blockheizkraftwerk in der Dieselstraße hatte also selbst am Durchsuchungstag Strom ins Netz eingespeist. Das Pikante: Die Anwälte wussten nichts von den Aufnahmen.

Für die Pflichtverteidigerin eines angeklagten GfE-Entwicklers Karl M. machen die Filme jedenfalls deutlich: „Das war kein Vorspiegeln eines Geschäftsbetriebs“. Der angeklagte GfE-Chef Horst K. glaubt unterdessen immer noch an den Erfolg seiner Geschäftsidee.

In seiner langen Verteidigungsrede bezeichnete er „alle Beschuldigten als völlig unschuldig“. Auch so mancher Anleger mag noch immer nicht glauben, dass die GfE-Technik nicht funktioniert hat; sie wittern eine Verschwörung der Energiewirtschaft, die mit dem Strafverfahren Konkurrenz die unliebsame Konkurrenz hocheffizienter Bioenergie ausschalten wollten.

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