Bürger wollen Trassen-Aufrüstung verhindern

3.6.2015, 06:00 Uhr
Bürger wollen Trassen-Aufrüstung verhindern

© Günter Distler

Winkelhaid ist ein netter Ort unweit von Nürnberg, gut 4000 Einwohner, ein Weiher in der Ortsmitte, viele Einfamilienhäuser. Nichts Außergewöhnliches, doch Winkelhaid hat sich weit über die Grenzen Frankens einen Namen gemacht – zumindest in der Welt der Stromnetzbetreiber.

Schon lange bevor sich in Bayern Dutzende Bürgerinitiativen gegen die sogenannten „Monster-Strommasten“ gründeten und eine hitzige Diskussion um das Für und Wider zu den Gleichstromtrassen auch die politische Diskussion beherrschte, kämpfte die Gemeinde gegen eine Stromleitung — allerdings nicht gegen die inzwischen höchst umstrittene für Gleichstrom.

Es geht vielmehr um eine Leitung mit 220 Kilovolt (kV), die schon seit rund 70 Jahren existiert. Im Laufe der Jahre sind die Häuser immer näher an die Trasse herangerückt, an ihr entlang haben sich neue Wohngebiete gegründet. Sie führt an einer Grundschule, zwei Kindergärten und einem Bolzplatz vorbei. Ein Mast steht mitten im Ort in einem Kreisverkehr. Die Stromleitung gefällt wohl niemandem in Winkelhaid, doch viele haben sich mit ihr arrangiert, sie war ja immer da.

Zehn Meter höhere Masten

Doch nun soll die alte 220-kV-Leitung auf 380 kV aufgerüstet werden: Die Masten werden dadurch rund zehn Meter größer und bis zu 55 Meter hoch, ihre Stahlkonstruktion ist eine andere, das Fundament muss breiter gebaut werden. Und was für die Winkelhaider noch mehr zählt: Durch die höhere Spannung, fürchten sie, steigt die Strahlung und somit die Gesundheitsbelastung.

Die Aufrüstung der Leitung steht seit 2012 im Raum. Vor drei Jahren stellten die Übertragungsnetzbetreiber ihren ersten Netzentwicklungsplan (NEP) vor, darin enthalten ist Projekt P 53: Es sieht eine Netzverstärkung der Trasse ab Raitersaich im Landkreis Fürth über Ludersheim im Nürnberger Land bis nach Altheim bei Landshut vor.

Bürger wollen Trassen-Aufrüstung verhindern

© NN-Infografik

Betroffen wären von der Aufrüstung demnach Dutzende Orte in Mittelfranken, der Oberpfalz und Niederbayern. Egal, ob sie Wolkersdorf, Ezelsdorf, Postbauer-Heng oder eben Winkelhaid heißen.

In den vergangenen Jahren wurde P 53 von der Bundesnetzagentur bei der Untersuchung der Netzentwicklungspläne immer zurückgestellt. Doch nun deutet sich eine Wende an: In den vorläufigen Prüfergebnissen zum NEP 2014 wird die Maßnahme „vorbehaltlich weiterer Erkenntnisse als bestätigungsfähig eingestuft“. Denn sie führe „zur Entlastung einer überlasteten Leitung“.

Noch ist das nicht die endgültige Entscheidung der Netzagentur, die wird für die nächsten Wochen erwartet. Hoffnung, dass sich an dem bisherigen Votum etwas ändern könnte, hat Walter Hübner von der Bürgerinitiative „Keine Stromautobahn über Winkelhaid“ aber kaum. Zwar hat er, wie so viele aus dem Ort, im Zuge der obligatorisch abgehaltenen Konsultationsphase dem Vorhaben heftig widersprochen, „aber wenn alles normal weiterläuft, dann kommt das in das Bundesbedarfsplangesetz“. Und damit wäre mit diesem Beschluss das Vorhaben wohl endgültig besiegelt.

„Arg treffen“

Einige der betroffenen Gemeinden sind bereits alarmiert: „Uns würde das arg treffen“, sagt Günter Stiegler, Zweiter Bürgermeister in Winkelhaid. „Das wäre gegenüber den Bürgern nicht zu verantworten“, ergänzt Hans Pröpster, Zweiter Bürgermeister in Postbauer-Heng, „und würde auf erbitterten Widerstand stoßen.“

Beim für die Leitung zuständigen Übertragungsnetzbetreiber Tennet bemüht man sich derweil, den Ball flach zu halten. Zum einen seien die Planungen nicht von der Bundesnetzagentur endgültig bestätigt und vom Gesetzgeber beschlossen, sagt Sprecher Markus Lieberknecht. Tennet sei daher auch noch gar nicht in die Planungen eingestiegen.

Forderungen, die neue Leitung müsse den Ort weiträumig umgehen, wie es etwa in Winkelhaid heißt, will er daher nicht kommentieren. Gleichzeitig verweist Lieberknecht auf den Ostbayern-Ring, ein anderes Projekt von Tennet. Auch hier gebe es in manchen Orten Engstellen. Man habe dann „Trassenuntersuchungsteams“ mit Bürgern gebildet, um nach möglichen Alternativrouten zu suchen.

Zumal die übliche Vorgehensweise beim Aufrüsten einer Stromtrasse in vielen betroffenen Orten für eine Verlegung der Leitung spricht: Da die 380-kV-Leitung andere bauliche Voraussetzungen als die 220-kV hat, wird sie auf neuen Masten errichtet — in einem Mindestabstand von 60 Metern zu den alten.

Doch in dieser Entfernung gibt es in Orten wie Winkelhaid oder Postbauer-Heng keinen Platz für die neuen Fundamente — zu dicht stehen Sportplätze, Schulen und Wohnhäuser an den Leitungen.

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