Claudia Stamm: "Weder rechts noch links, sondern quer"

26.5.2017, 17:15 Uhr
Claudia Stamm:

Claudia Stamm (46) gehörte als Mitglied der Fraktion der Grünen dem bayerischen Landtag von April 2009 bis zu ihrem Austritt im März 2017 an. Seither ist sie fraktionslose Abgeordnete. Sie ist Tochter der Landtagspräsidentin und stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Barbara Stamm (72). Im NZ-Gespräch erläutert Sie NZ-Korrespondenten Ralf Müller ihre Motivation für die Gründung einer vollständig neuen Partei. Deren Name stand auf einer Parteiversammlung am Mittwoch in Nürnberg allerdings noch nicht fest, da Namensrechte ungeklärt sind.

 

NZ: Frau Stamm, Sie wollen eine neue Partei gründen. Wann wird das konkret?

Claudia Stamm: Wir sind in den letzten Zügen. Wir hoffen, dass wir den Menschen, die mitmachen wollen, bald Mitgliedsanträge vorlegen können, damit sie mitwirken können.

 

NZ: Wird der Name "Zeit zu handeln" sein wie Ihre Initiative?

Stamm: Nein. Das ist nur der Arbeitstitel für den Start gewesen.

 

NZ: Die meisten Kommentatoren geben Ihrem Vorhaben keine Chance. Gibt es Ihnen nicht zu denken, dass in den letzten Jahrzehnten außer der AfD keine Parteineugründung funktioniert hat?

Stamm: Bedenken sind das eine und die Notwendigkeit, diesen Schritt zu gehen, das andere. Ich bin ja bei weitem nicht die Einzige, die bei den Grünen oder aus anderen Parteien diesen Schritt macht. Ich bin mir sicher, dass es ein notwendiger Schritt ist.

 

NZ: Sie haben also Unterstützer aus den Reihen der Grünen und anderer Parteien?

Stamm: Genau. Aber genauso von Menschen, die bisher parteilos sind, und nie in eine Partei eintreten wollten, nun aber etwas tun wollen, damit die Demokratie lebendig bleiben kann.

 

NZ: Sie haben als Ziele der neuen Partei Bürgerrechte, soziale Gerechtigkeit, gesellschaftliche Vielfalt und ökologischen Umbau im Sinne einer Eine-Welt-Politik formuliert. Das ist doch genau das, was die Grünen auch wollen.

Stamm: Die Praxis zeigt, dass es bei den Grünen inzwischen anders ist. Es ist an der Zeit, eine neue politische Kraft, die mit Vehemenz diese Standpunkte vertritt, zu gründen.

 

NZ: Sie werfen den Grünen vor, sich von diesen Zielen zu entfernen?

Stamm: Ich tue mich schwer mit Vorwürfen. Aber meine Analyse läuft darauf hinaus, dass sich oft die Parteiführung von der Basis und zum Teil von den ursprünglichen Werten entfernt hat. Das ist aber keine besondere Erkenntnis, sondern drängt sich auf, wenn beispielsweise die Asylpolitik anders gehandhabt wird als die Ursprünge damals formuliert wurden.

 

NZ: Die Linken sind für Sie auch keine Alternative?

Stamm: Nein, aus einer Reihe von Gründen. Den ökologischen Umbau sehe ich bei den Linken gar nicht vertreten und zum anderen gibt es im Bereich Asyl und Integration auch Bestrebungen, Flüchtlinge gegen andere sozial Benachteiligte auszuspielen.

 

NZ: Sehen Sie denn gerade im eher konservativen Bayern noch Platz für eine Partei, die sich ja doch irgendwo auf der linken Seite des politischen Spektrums verorten lässt?

Stamm: Wir verorten uns nicht im linken Spektrum. Ich muss immer etwas schmunzeln, wenn das Bekenntnis zu Artikel 1 des Grundgesetzes – die Würde des Menschen ist unantastbar – als links verortet wird. Meiner Meinung nach ist diese Haltung zutiefst konservativ, weil es um die Wahrung des Grundgesetzes geht. Gerade in Bayern, wo eine regelrechte Bürgerbewegung sich gegen diese unmenschliche Politik gewandt hat, ist es wichtig, dem etwas entgegenzusetzen. Ich verstehe mich aber auch nicht als klassisch konservativ. Ich bin eher überzeugt davon, dass das klassische Politschema links– rechts keine Relevanz mehr hat.

 

NZ: Was wird Ihre Partei bieten, das die anderen nicht haben?

Stamm: Unsere vier Grundpfeiler, die Sie genannt haben, sehen wir konsequent in keiner anderen Partei vertreten. Für uns ist klar, dass diese Position weder rechts noch links ist sondern quer zu den bisherigen Parteipositionierungen.

 

NZ: Also weder rechts noch links, sondern irgendwie oben drüber?

Stamm: (lacht) So würden wir uns nie sehen. Wir sind ja auch angetreten, um mehr Mitsprache der Menschen zu ermöglichen.

 

NZ: Wann wollen Sie für welche Wahl antreten?

Stamm: Für die Landtagswahl 2018.

 

NZ: Das ist schon relativ bald. Meinen Sie, dass Sie das wirklich hinkriegen?

Stamm: Das ist unser Ziel, auf das wir hinarbeiten. Der Zuspruch ist sehr, sehr groß. Unsere Aufgabe als Kernteam ist es jetzt, diesen Zuspruch zu kanalisieren, die Voraussetzungen zu schaffen und dann mit viel Rückenwind in diese Landtagswahl zu
starten.

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