Das Römische Kapitel Frankens: Limeseum bei Ruffenhofen

12.2.2013, 07:14 Uhr
. Die ungewöhnliche Architektur des Limeseums sticht dem Besucher sofort ins Auge.

© Sebastian Linstädt . Die ungewöhnliche Architektur des Limeseums sticht dem Besucher sofort ins Auge.

„Ich habe zunächst gestutzt, als ich gefragt wurde, ob später noch Anbauten an das Museum erfolgen sollen und dachte mir: das geht doch eigentlich immer?“ sagt der Leiter des Limeseums weiter. Im Fall der „Römerschnecke“ bei Ruffenhofen ist aufgrund der eigenwilligen, in hohem Maße identitätsstiftenden Bauweise ein Anbau nun nicht so einfach möglich.

Das tut der Tatsache allerdings keinen Abbruch, dass in Ruffenhofen ein von A bis Z durchdachtes Konzept erfolgreich umgesetzt wurde. Völlig zu Recht hat sich das noch junge Museum seit Oktober zu einem Anziehungspunkt entwickelt – und das, obwohl manch ein Navigationssystem mit dem Begriff Limeseum nichts anfangen kann. Dafür, dass die Besucher mit dem eigenwilligen Namen – selbstverständlich eine Wortneuschöpfung aus Limes und Museum – eine bleibende Erinnerung verbinden, ist vor allem Pausch verantwortlich.

Viele Funde aus Ruffenhofen sind die Zeugnisse der Zivilgesellschaft, die sich rund um die Kastelle ansiedelte.

Viele Funde aus Ruffenhofen sind die Zeugnisse der Zivilgesellschaft, die sich rund um die Kastelle ansiedelte.

Wie erklärt man fast 2000 Jahre nach einer Zeitenwende die Bedeutung eines Bauwerks, das fast vollständig vom Erdboden verschwunden ist? Was zeichnet den germanisch-raetischen Limes aus, und was macht das Römerkastell Ruffenhofen zu einer Besonderheit? Pausch zäumt das Pferd in der Dauerausstellung eben nicht von hinten auf, sondern er beginnt die Geschichte vom Nabel der damaligen Welt zu erzählen: Den Ausgangspunkt stellt Rom dar, diese unglaubliche Militär- und Wirtschaftsmacht, die sich unter frühen Kaisern wie Cäsar und Augustus immer weiter ausbreitete – auch nach Norden. „Nach der Katastrophe der Varusschlacht im Jahre 9 n.Chr. waren zunächst Flüsse wie der Rhein und die Donau die natürlichen Grenzen des römischen Reiches. Erst etwa 100 Jahre später begannen die Römer, sich auch jenseits der Flüsse auszubreiten“, erklärt der promovierte Archäologe Pausch.

Der Limes stellte dabei zum einen die militärische Außengrenze des Reiches dar, und war mit Sperrwerken, Wachtürmen, Gräben und eben Kastellen im Hinterland ausgestattet. Darüber hinaus war er wohl aber auch die deutlich wahrnehmbare Grenze eines Wirtschaftsraumes, erläutert Pausch. „Die Bedeutung des römischen Reiches liegt schließlich auch in einer einheitlichen Währung, dem hohen technischen Niveau und der Verfügbarkeit von Handelswaren begründet.“ In einer Vitrine in Ruffenhofen etwa lagern Teile von ausgegrabenen Olivenölbehältern. „Olivenöl war damals als Energieträger und Brennstoff für Lampen unersetzlich und wurde sogar aus Spanien herbeigeschafft“, erklärt Pausch begeistert. Dem Römerkenner macht es sichtlich Spaß, Parallelen zu ziehen zwischen der antiken Welt und dem heutigen Europa: „Probleme mit der Energieversorgung gibt es eben nicht erst seit dem 20. Jahrhundert!“

Pausch schreckt auch nicht davor zurück, eine realitätsgetreue römische Wirklichkeit zu zeigen: An einem Modell des Limes kann man deutlich Abnutzungsspuren entdecken, Efeu wuchert, Dreck überall. In direkter Nähe der Wach- und Wohntürme finden sich Kobel mit Schafen und Ziegen. „Das strahlend weiße Rom, das wir aus Hollywood kennen, hat es in der Provinz sicher nicht gegeben“, ist Pausch überzeugt. Dennoch wusste das mächtige Imperium sich selbstverständlich in Szene zu setzen: Das Kastell Ruffenhofen, das eine Reitereinheit beherbergte, lag strategisch günstig an einem Quellhorizont und einer Erhebung in Sichtweite des Limes und muss für die germanischen „Barbaren“ ein beeindruckender Anblick gewesen sein – ein kalkulierter Effekt. Auf dem benachbarten Hesselberg finden sich laut Pausch indes keine römischen Spuren. Bestand denn kein Interesse, in das Germanenland zu spähen? „Jenseits des Limes gab es nur tiefe Wälder ohne Zivilisation, ein Ausguck auf dem Hesselberg hätte keinen signifikanten Vorteil gebracht.“ Zumal die Wachtürme des Limes miteinander in Sichtkontakt standen, im Fall eines Übergriffes also sehr schnell Beistand herbeirufen konnten. Dass es diese Übergriffe – zumindest in 3. Jahrhundert stellenweise gegeben hat, ist anzunehmen. Auch wenn Pausch lieber das Bild einer möglicherweise nicht ganz so kriegerischen Ko-Existenz von Römern und Germanen zeichnet. So erscheint es durchaus denkbar und ist zum Teil auch durch Funde belegt, dass der benachbarte Vicus, also das Kasernendorf, ein wichtiger Handelsplatz beider Völker gewesen ist.

Limeseum verknüpft zwei Lebensabschnitte

Auch rekrutierten sich die Reitereinheiten ja – im Gegensatz zu den stolzen Legionen – aus Hilfstruppen, die zumindest teilweise durchaus germanischen Hintergrund gehabt haben. Nach 25 Jahren Militärdienst bekamen auch die Angehörigen der Hilfstruppen das sogenannte Militärdiplom – und damit mit dem römischen Bürgerrecht eine neue Staatszugehörigkeit.

Der Leiter des Limeseums, Matthias Pausch.

Der Leiter des Limeseums, Matthias Pausch.

Um die zwei Abschnitte im Leben der einfachen Soldaten besser zu veranschaulichen, hat man sich im Limeseum etwas Besonderes einfallen lassen – und kurzerhand einen Pferdeknecht namens „December“ wieder zum Leben erweckt, der wohl um 200 n.Chr. in Ruffenhofen lebte. Diesen Rückschluss lässt ein ausgegrabenes Stück einer Helmzier zu, das mit diesem Namen und der Einheitszugehörigkeit punziert wurde und heute ein Schlüssel-Exponat im Limeseum ist.

Sehr liebevoll und unverkitscht wird dem Besucher auf Audiostationen der junge Mann December vorgestellt, der einen fortan auf verschiedenen Lebensstationen begleitet. „Anfangs geht er noch gern mit den Kameraden in die Kneipen oder das Badehaus im Vicus – bis er eines Tages eine junge Frau kennenlernt“, verrät Pausch grinsend. Eine große Karriere beim Militär bleibt December zwar verwehrt. Doch nach Erhalt seines Diploms lässt sich der Ex-Soldat mit einer eigenen Bronzegießerei im Vicus nieder und fertigt fortan Alltagsgegenstände.

Sehr gelungen ist im Limeseum die Verknüpfung dieser beiden Lebensabschnitte, die gleichzeitig die beiden wichtigen Teilbereiche des Lebens am Limes widerspiegeln: Vom ersten Ausstellungsraum, der den Bezug zu Rom und die militärischen Aspekte in den Vordergrund rückt, gelangt man in den zweiten, zivilen Bereich, der dem Leben im Vicus gewidmet ist, durch einen Kinoraum: Hier läuft ein achtminütiger Film, der die Bedeutung des Kastells Ruffenhofen, aber eben auch des angrenzenden Vicus mit eingängigen Bildern vermittelt. Auch in dem Film hat December seinen Auftritt: In der Kaserne ist er über seinen Helm gebeugt und versieht ihn mit seinem Namen.

Es sind diese Feinheiten, die das Limeseum zu einem Schmuckstück machen. Pausch gibt sich bescheiden. Die großen Funde seien nicht unbedingt in Ruffenhofen gemacht worden, und viele Besucher seien enttäuscht, dass es hier keine „echten“ Steinmauern zu sehen gebe. „Aber die stehen auch anderswo nicht mehr, sind allenfalls Nachbauten“, erklärt der Fachmann. Sein wissenschaftlicher Beirat sei ihm stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden, erklärt Pausch, den im Jahr 2002 nach Abschluss des Studiums zunächst eine ABM-Stelle in die Region führte. „Damals gab es hier nichts.“ Zur Jahrtausendwende war allerdings die Entscheidung gefallen, den gesamten deutschen Limes intensiver zu erforschen. Mittlerweile ist der obergermanisch-raetische Limes als Teil der römischen Grenzbefestigungen auch zum Unesco-Welterbe ernannt worden. Bereits im Jahr 2001 bildete sich ein kommunaler Zweckverband der Gemeinden Gerolfingen, Wittelshofen und Weiltingen, der sich die Präsentation der Funde rund um Ruffenhofen zur Aufgabe machte. Zunächst gab es ein provisorisches Museum in Weiltingen, bis der Zweckverband das 3,8 Millionen teure Projekt Limeseum ins Rollen brachte – und unter massiver finanzieller Bezuschussung tatsächlich realisieren konnte.

Pausch ist heute glücklicher Hausherr der eigenwilligsten Immobilie weit und breit – und noch lange nicht mit seinem Latein am Ende: „Ich möchte noch einen wertigen Ausstellungskatalog konzipieren“, erklärt der Archäologe. Und auch museums-pädagogische Konzepte, in denen ein December aus Fleisch und Blut Kinder für das römische Reich begeistert, kann er sich durchaus vorstellen. „Solange die Darstellung authentisch bleibt und nicht zur Römer-Show verkommt.“ Denn dafür ist der Limes, dieses großartige Zeugnis römisch-germanischer Geschichte, schließlich viel zu schade.

Geöffnet Di.–Fr. von 10–16 Uhr sowie Sa./So. und an Feiertagen von 11–17 Uhr, 09854/9799242, Internet: www.limeseum.de

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