Der Fall Gustl Mollath und die Abrechnung bei "Beckmann"

16.8.2013, 02:18 Uhr
Der Fall Gustl Mollath war am Donnerstag 75 Minuten lang Thema bei Reinhold Beckmann (rechts).

© dpa Der Fall Gustl Mollath war am Donnerstag 75 Minuten lang Thema bei Reinhold Beckmann (rechts).

Reinhold Beckmann war es gelungen, Gustl Mollath als erster in seine Sendung zu bekommen - und das sollte sich lohnen: 1,93 Mio Zuschauer schalteten am Donnerstagabend ein - in der Vorwoche waren es nur 1,39 Mio. Seit 2011 hat "Beckmann" keine so guten Zahlen mehr eingefahren.

Überraschend gefasst präsentierte sich Mollath im Studio. Während sein Strafverteidiger Gerhard Strate schwere Versäumnisse der Justiz anprangerte, der Journalist Uwe Ritzer der bayerischen Justizministerin Beate Merk "kaum zu überbietende politische Dreistigkeit" vorwarf und die Psychiaterin Hanna Ziegert haarsträubende Mechanismen des Gutachterwesens beschrieb, legte der eigentlich Betroffene eine Sachlichkeit an den Tag, die, angesichts der Ereignisse der Vergangenheit, beeindrucken musste. Nach sieben Jahren Zwangsunterbringung in der forensischen Psychiatrie hatte das Nürnberger Oberlandesgericht erst am Dienstag, 6. August, die Entlassung des 56-Jährigen verfügt und die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet.

"Ich bin wohnungslos, aber nicht obdachlos", sagte Mollath auf die Frage von Reinhold Beckmann, wie er seine momentane Situation beschreiben würde. Zunächst wurde dann aber die Chronologie des Falls Mollath nochmal aufgearbeitet, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen. "Wie konnte es soweit kommen?", diese Frage stand immer wieder im Raum und am Ende blieb die erschreckende Erkenntnis, dass sich solche Fälle jederzeit wiederholen könnten, ja permanent wiederholen. Allerdings gelingt es nur wenigen Betroffenen, in der Öffentlichkeit soviel Gehör wie Gustl Mollath zu finden.

In seinem Fall waren die Auslöser neue Fakten, die Michael Kasperowitsch, Redakteur der Nürnberger Nachrichten, zum Anlass für weitere Recherchen nahm und eine erste Berichterstattung folgen ließ. Sowohl die Süddeutsche Zeitung als auch die ARD griffen das Thema auf und so wurde SZ-Redakteur Uwe Ritzer einer der späteren Antreiber im Fall Mollath. In der Sendung schilderte Ritzer, wie der Zeitung der geheime Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 im Jahr 2011 zugespielt wurde und welche Schlüsse sich daraus ergaben.

Hart ins Gericht ging Ritzer zudem mit Beate Merk. Dass die bayerische Justizministerin jetzt so tue, als ginge das Wiederaufnahmeverfahren auf ihre Initiative zurück, sei "an politischer Dreistigkeit nicht zu überbieten", so der SZ-Redakteur. Sie habe über Monate hinweg Gustl Mollath für "gefährlich erklärt" und darauf verwiesen, dass ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. "Und was rechtskräftig ist, ist richtig", fügte Ritzer mit ironischem Unterton hinzu.

Strafverteidiger Gerhard Strate wiederum ließ kein gutes Haar an den Richtern und den Gutachtern, die in den Fall involviert waren. Allen voran wurde der Vorsitzende Richter am Nürnberger Landgericht, Otto Brixner, namentlich genannt. "Ich habe in dem Wiederaufnahmegesuch, das ich im Februar gestellt habe, zehn Fälle der schweren Rechtsbeugung dargestellt", so der Vorwurf von Strate, der schwerste davon sei, dass Gustl Mollath "faktisch unverteidigt in der Gerichtsverhandlung war".

Für einiges Aufsehen sorgte zudem der Auftritt der seit über 30 Jahren als Psychiaterin und Gutachterin tätigen Hanna Ziegert. Auf die Frage von Beckmann, ob es ein Fehler von Gustl Mollath gewesen sei, die Untersuchungen von Fachärzten abzulehnen, sagte Hanna Ziegert: "Ich weiß nicht, ob ich mich jemals würde begutachten lassen". Als Begründung führte sie an, dass die Grundvoraussetzung für eine Begutachtung das Vertrauen in den Psychiater sei. Für Hanna Ziegert sei es keineswegs selbstverständlich, dass ein solches Vertrauen automatisch vorhanden sei oder aufgebaut werden könne.

Zu der Tatsache, das Mollath nur aufgrund von Beobachtung und Aktenlage begutachtet worden ist, sagte Ziegert: "Ich bin der Meinung, dass ein Gutachten durch Beobachtung aus 20 Meter Entfernung, vergleichbar ist mit einem Befund, den ein Gynäkologe ausstellt, der seine Patientin aus 20 Meter Entfernung betrachtet". Gustl Mollath stellte dazu ergänzend fest: "Ich finde es skandalös, wenn man sich nicht die Zeit für ein Gespräch nimmt. Ich glaube, ich mache einen relativ vernünftigen Eindruck, mit mir kann man reden. Das war schon immer so".

Es ist demnach wenig verwunderlich, das Mollath im Laufe der Sendung sein Unverständnis darüber zum Ausdruck brachte, dass man ihn "über die perfideste Klinge springen hat lassen, die in Deutschland möglich ist." Es sei für ihn "unglaublich", dass er erleben musste, dass sein Freispruch, "unter Umständen die schlimmste Strafe in der Bundesrepublik Deutschland darstellen kann", nämlich die Tatsache, dass er bis zum Lebensende von den Ärzten und dem dortigen Personal abhängig sein würde.

Der Blick in die Zukunft fiel bei Gustl Mollath am Ende durchaus zwiespältig aus. Für ihn gehe es nun darum im Wiederaufnahmeverfahren vollständig rehabilitiert zu werden und im normalen Leben wieder Fuß fassen zu können. "Ich brauche ein Dach über dem Kopf und muss mich darum kümmern, wie ich meinen Lebensunterhalt verdienen kann", sagte Mollath, der seinen Lebensmittelpunkt wohl auch weiterhin in seiner Geburtsstadt Nürnberg sieht.

Sichtlich bewegt dankte Gustl Mollath schließlich noch allen Unterstützern, die über viele Jahre für ihn gekämpft hätten. Der Frage Beckmanns, ob er nun ein Buch über seinen Fall schreiben wolle, beantwortete er ausweichend, obwohl er inzwischen viele Beispiele aus den forensischen Abteilungen der Psychiatrie kennt, die nach einer Aufarbeitung schreien würden.

Am Freitag wurde nun bekannt, dass das gefälschte Dokument, welches im Juni in Bayreuth eingegangen war, aus einer hessischen Anwaltskanzlei stammt.

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