Der Guru, drei Kinder und ein Landrat unter Druck

1.11.2012, 10:30 Uhr
Der Guru, drei Kinder und ein Landrat unter Druck

© WDR

Ausgelöst wurde die Diskussion von einem im WDR ausgestrahlten Film der Journalistin Beate Greindl. Darin wurde — wie berichtet – die Familie W., der Vater Physiker, die Mutter Lehrerin, porträtiert, die vor zehn Jahren ihr Vermögen einem "Guru" der als Sekte bezeichneten "Neuen Gruppe der Weltdiener" vermacht hatte, ihre Berufe aufgab und seither unter einfachsten Verhältnissen in einem alten Bauernhaus in Lonnerstadt (Kreis Erlangen-Höchstadt) lebt.

Der Film und die folgende Berichterstattung in den hiesigen Medien hatten Entrüstung in Teilen der Bevölkerung ausgelöst. Irlinger berichtete von rund 200 E-Mails und Briefen, in denen das Jugendamt und er selbst zum Teil massiv beschimpft worden seien — „bis hin zur Bedrohung meines Lebens“.

Irlinger machte in der Pressekonferenz aus seinem Unmut über den WDR-Film keinen Hehl. Er bezeichnete ihn als „etwas tendenziös“ und „schwarz-weiß“ gezeichnet. Die dort gezeigten Umstände träfen nicht zu, erklärte der Landrat.

Irlinger verteidigte das Vorgehen seiner Behörde, die die Familie seit 2004 im Blick hat und in den letzten Monaten intensiver mit ihr Kontakt hatte, wie Jugendamtsleiterin Heike Krahmer erklärte. Sie berichtete von fünf Hausbesuchen, 33 anderen Amtsaktivitäten, elf Kontakten zur Schule der drei Kinder sowie sieben Kontakten zu den Großeltern in den letzten elf Monaten.

Irlinger verwahrte sich gegen Vorwürfe, seine Mitarbeiter würden das Wohl der Kinder gefährden. „Das Wohl der Kinder ist unser Auftrag“, betonte Irlinger, „das machen wir 1000-fach im Jahr“. Regelmäßig habe man auch Kontakt zur Realschule in Höchstadt, die die Kinder besuchen. In der Schule seien sie „die Besten“, so der Landrat. Er selbst sei noch gestern Vormittag in dem Haus in Lonnerstadt gewesen, das der Familie von der Gemeinde als Wohnung zur Verfügung gestellt wurde. „Ich kann nicht sagen, dass es demnächst zusammenbricht“, erklärte Irlinger.

Der Guru, drei Kinder und ein Landrat unter Druck

© dapd

Sehr einfach sei das Haus schon, meinte der sichtlich aufgewühlte Landrat, doch weder gebe es Schimmel in den Wohnräumen, noch sei es unhygienisch oder ungeheizt; im Wohnzimmer sei es gar „wohlig und mollig warm“ gewesen. Die Kinder hätten einen aufgeweckten, selbstbewussten Eindruck auf ihn gemacht, sie dürften, wie andere Kinder auch, mit dem Computer spielen oder Fernsehen gucken und müssten mitnichten andauernd meditieren, wie es im Film suggeriert worden sei; die Eltern hätten sich, wie in der Vergangenheit auch, gegenüber dem Landratsamt kooperativ gezeigt. Eltern und Kinder pflegten einen liebevollen Umgang miteinander. Ein Urteil über den Lebensstil der Familie wollte sich Irlinger nicht erlauben. Nur: „Als Sekte sehen sie sich nicht.“

Einschätzungen, die die für den TV-Beitrag verantwortliche Journalistin auf die Palme brachten. „Ich bin sprachlos“, entgegnete Beate Greindl, die dem Landrat vorwarf, die Situation der Kinder völlig zu unterschätzen. Es entwickelte sich ein heftigeres Wortgefecht zwischen den beiden. Irlinger, sekundiert von seinen Fachleuten, blieb bei seiner Meinung, das Landratsamt habe korrekt gehandelt.

Bisher habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass die Lebensweise der Eltern dem Wohl der drei Kinder schade. „Wir handeln nach bestem Wissen und Gewissen richtig“, betonte Irlinger. Sowohl Amtsjurist Wolfgang Fischer als auch Otto Schammann, der den Allgemeinen Sozialdienst leitet, erklärten, dass es bisher keine triftigen Gründe — etwa eine akute Gefährdung oder erkennbare Verwahrlosung oder offenkundige Überforderung der Eltern — gab, die Kinder aus der Familie zu nehmen. Das wäre die „ultima ratio“.

Trotzdem hat das Landratsamt in Abstimmung mit dem Familiengericht ein Gutachten in Auftrag gegeben, das klären soll, ob die Lebensweise und Erziehung der Eltern zu einer Gefährung des seelischen oder geistigen Wohls der Kinder führe. Das Ergebnis wird allerdings noch dauern. Am Tag vor der Pressekonferenz seien die Kinder noch in der Erlanger Uni-Klinik ausführlich untersucht worden, berichtete Landrat Irlinger. Ergebnis: Die Kinder seien gut ernährt und befänden sich auf einem guten allgemeinen Entwicklungsstand.

Die aktuelle Entwicklung führt auch dazu, dass im Erlanger Landratsamt noch einmal Akten aus der Vergangenheit untersucht werden. Denn „Guru“ L. war wegen des Umgangs mit den drei Kindern seiner Lebensgefährtin schon einmal ein Fall für die Behörden.

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