Die wenig bekannten Seiten des Lichts werden hier sichtbar

25.4.2012, 07:51 Uhr
Die wenig bekannten Seiten des Lichts werden hier sichtbar

© Hagen Gerullis

Das ist auch notwendig, denn die Spezialisten für lichtleitende Polymeroptische Fasern (POF) sind nicht nur Forscher und Lehrer, sondern auch Geschäftsführer.

Etwa eine Million Euro beträgt der Etat, den das „POF“ jedes Jahr einspielen muss. Deswegen bemüht sich Prof. Hans Poisel um Forschungsaufträge, die Geld in die Kasse bringen. Diese sollten aber auch Aufgaben umfassen, die so interessant sind, dass seine Studenten daran Angewandte Forschung betreiben können. Meistens funktioniert das. Schließlich finden sich für den vielseitig einsetzbaren Lichtleiter vor allem in innovativen Technologien viele Einsatzmöglichkeiten.

Einsatz als Sensor in Windkraftanlagen

Windkraftwerke zählen dazu. Sie wären mit eingebauten Sensoren aus Polymeroptischen Fasern besser zu steuern. Erste praktische Erfahrungen werden bei einem Versuch mit einem Windrad bereits gesammelt. Poisel wäre glücklich, wenn die in seinem Institut entwickelte Technik bald in Serienproduktion gehen könnte.

Immerhin gehört der Einsatz in der Sensorik zu den drei Hauptgebieten, denen sich das POF-Anwendungszentrum (POF-AC) widmet. Egal, ob es sich um Druck, Temperatur oder Biegung handelt, nahezu alle physikalischen Parameter lassen sich mit der POF messen: Die Empfindlichkeit der aus Plastikfasern gefertigten Fühler für Längenmessung liegt im Bereich von zehn Tausendstel Millimetern. „Der Haardurchmesser beträgt typisch ein Zehntel Millimeter“, vergleicht der Experte. Damit wird die robuste Faser für etliche Branchen interessant. In der Autoindustrie sei es denkbar, dass durch ihren Einsatz als Aufprallsensor Menschenleben gerettet werden, führt Poisel an. Bedenke man, dass der Fußgänger momentan der schwächste Teilnehmer im Straßenverkehr ist, komme der Entwicklung solcher Sensoren eine große Bedeutung zu. Poisel nennt die Möglichkeit, eine Motorhaube beim Aufprall aufklappen zu lassen, damit die Distanz zwischen Blech und Motorblock wächst und damit der Aufprall abgebremst wird. Das Signal dazu käme von POF.


Ebenfalls in der Autoindustrie findet sich das zweite große Anwendungsgebiet, die optische Datenübertragung. Sie sei aber auch im Heimbereich bestens nutzbar, wie ein von der EU gefördertes Modellprojekt vor einiger Zeit demonstrierte. Beim Auto eigne sich der Transport der Multimedia-Daten besonders gut dafür, beginnend beim Navigationssystem über den DVD-Player bis hin zum Autotelefon und der Rückfahrkamera. Denn hier müssen bei der Datenübertragung nur relativ kurze Distanzen überwunden werden. „Wir arbeiten gerade daran, die zehn Gigabit-Barriere zu packen“, fügt Poisel hinzu. Mit Hochdruck forschen einige begabte Studenten zusammen mit erfahrenen Ingenieuren auf diesem Feld.

Etwas verspielt geht es im Demo-Raum zu. Hier glitzern die Kabel in verschiedenen Farben. Der Professor verteilt Teststücke der vielfältig einsetzbaren Faser, die an einem Ende leuchtet, wenn man das andere ins Licht hält und schwärmt von den spannenden Versuchsanordnungen. Die Nutzung der natürlichen Energiequellen spielt in dem Forschungszentrum in den Räumen der Hochschule in der Wassertorstraße eine große Rolle. Auf dem Dach steht eine Entwicklung des Instituts, die noch auf ihren großen Durchbruch wartet: der Sollektor. Ein Sonnenkollektor mit einzelnen Modulen, die sich automatisch nach den Sonnenstrahlen ausrichten. Wenn welche da sind. Dann leitet die Plastikfaser das Licht in die dunklen Räume des Gebäudetrakts.

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© Hagen Gerullis

„Während bei der Solartechnik der Wirkungsgrad bei einem Prozent liegt, gelingt uns über eine Distanz von 20 Metern Faser eine Lichtübertragung von 50 Prozent. Die Farben werden dabei in ihrer natürlichen Zusammenstellung wiedergegeben“, schildert Poisel die Vorteile. Dabei wird nur das sichtbare Licht transportiert, die Wärmestrahlung bleibt draußen.

Dem Professor ist auch noch nach vielen Jahren Lehrtätigkeit die Begeisterung für sein Forschungsgebiet anzumerken. Er glaubt auch, dass man Wissenschaftlernachwuchs am besten motivieren kann, indem sich die Faszination überträgt. Der 62-Jährige ist immer noch für Spielereien zu haben. Sie zeigen sich beispielsweise bei einer sehr effizienten Beleuchtung von Zimmerpflanzen.

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© Hagen Gerullis

Da es sich bei den Arbeiten im POF-AC um angewandte Forschung handelt, tüfteln Poisel und sein fast 20 Mitarbeiter umfassendes Team an praktischen Lösungen. Die Fasern selber stellen sie nicht her. Jedoch gründen ehemalige Studenten schon mal eine Firma, wie die beiden, die beim Anwendungszentrum ihren Master machten und jetzt die Sollektor-Technik weiter vorantreiben.

Noch sieht Poisel Nachholbedarf beim Bekanntheitsgrad der POF. „Kupfer kennt jeder“, sagt er. Die Kunststofffaser noch nicht. Aber die Zeit arbeite für sie. Denn die Datenmenge, die transportiert werden soll, wächst. Und damit auch die Akzeptanz von POF, glaubt der erfolgreiche Wissenschaftler. Für ihn und seine Studenten hat die Zukunft also gerade erst begonnen.

  Unter der NZ-Rubrik Erlebnis Wissenschaft sind auch alle anderen Folgen der Serie zu finden.
 

 

 

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