Diskussion um Nürnbergs alte NS-Bauten neu entbrannt
19.8.2014, 18:45 UhrRobert Minge, Mitarbeiter des Hochbauamtes der Stadt Nürnberg, und Matthias Klaus Braun vom Nürnberger Kulturreferat erklären im Offenen Büro des Stadtplanungsamtes die städtischen Ideen. Dort läuft momentan die Ausstellung der Bau Lust „Unsere Tribüne — wie neu?“, in deren Rahmen der Verein die Diskussionsrunde über die Zeppelintribüne veranstaltet. „Unser Ziel ist ein Dreiklang in der Nutzung des Geländes“, sagt Braun. Man wolle einen Ort historischer Bildung schaffen, das Gelände aber auch offen für die Freizeitgestaltung halten und eine temporäre künstlerische Nutzung ermöglichen. „Aber braucht man denn dazu die Steine?“, fragt Diskussionsleiter Josef Reindl provozierend.
Gegen den Erhalt
Reinhard Knodt, Schriftsteller und Philosoph, braucht sie nicht und Deutschland brauche seiner Ansicht nach auch kein erneuertes Nationaldenkmal. International könnte dies als Lächerlichkeit gewertet werden, nach dem Motto: „Hört, hört! Die Deutschen renovieren ihre Hitlertribüne“, heißt es in seinem Podiums-Statement mit dem bezeichnenden Titel „Eine deutsche Klagemauer darf es nicht geben“. „Die Tribüne und andere Teile des Geländes sind den Elementen preiszugeben, sie sollen sichtbare Ruinen werden, während ringsum Gärten wachsen“, heißt es dort weiter. Von der Idee, die Tribüne und andere Teile des Geländes für den Erhalt zu sanieren, hält Knodt nichts.
In der Kritik der Bau Lust-Vertreter steht auch die vorwiegende Konzentration der Stadt auf Zeppelintribüne und Zeppelinfeld. Baul Lust fordert stattdessen ein Konzept für das gesamte Areal. Der früherer Leiter des Bildungszentrums der Stadt, Siegfried Kett, hat das Märzfeld als den Mittelpunkt des Reichsparteitagsgeländes benannt. Der Mittelpunkt liege also außerhalb der Grenze, die man heute allgemein als Ende des Reichsparteitagsgeländes, nämlich die Große Straße, versteht.
Akuter Handlungsbedarf
Auch Langwasser habe eine Geschichte, die nicht nur innerhalb des Stadtteils, sondern auch als allgemeine geschichtliche Information dargestellt werden müsse, findet Kett. Die Frage dürfe also nicht nur sein: „Was passiert mit der Zeppelintribüne?“, sondern „Welche Einzelprojekte gibt es noch?“ — es bedürfe hierfür eines Gesamtkonzeptes, sagt Kett.
Die Tribüne aber sei das einzige Bauwerk, das zu Zeiten des NS-Regimes erbaut, fertiggestellt und benutzt wurde, hält Kulturreferatsleiter Braun dagegen. Sie müsse deshalb als Projektionsfläche erhalten bleiben. Wegen des baulichen Zustandes bestehe mittlerweile außerdem akuter Handlungsbedarf, ergänzt Hochbauamtsexperte Minge. „Fachingenieure und Architekten nehmen momentan noch Materialproben“, sagt er.
Für Untersuchungen und beispielhafte Instandsetzungsmaßnahmen muss die Stadt mit drei Millionen Euro in Vorleistung treten. Auch dem Vorwurf, die Stadt habe einfach entschieden und keinen Raum für Diskussionen gelassen, müssen sich Minge und Braun stellen. Raum für Diskussionen gebe es künftig noch genug, lautet ihre Antwort. Die Frage, inwiefern man die bereits als Ziel festgelegte künstlerische Nutzung des Geländes umsetzen könne, biete die Möglichkeit einer Diskussion und auch die bauliche Entwicklung sei als Ganzes noch lange nicht beschlossen.
Momentan sei man noch bei den Untersuchungen, betont Minge erneut. Anschließend werden verschiedene Instandsetzungsmaßnahmen ausprobiert. Der Denkprozess zur späteren Gestaltung aber sei nach wie vor offen, heißt es seitens der Stadt-Vertreter. „Wenn verschiedene Musterflächen angebracht sind, bieten diese wieder Raum für eine öffentliche Diskussion“, sagt Minge. Das festgesetzte Ziel am Ende sei nur, dass alle Räume und die Tribüne wieder vollständig begehbar sind, ohne Sicherungsmaßnahmen oder Zäune. „Aber es gehört doch einfach dazu, dass Dinge verfallen. Das ist die Natur“, sagt eine Bürgerin. Es wäre außerdem redlich gewesen, wenn die Leitlinien der Stadt nicht einfach so verabschiedet, sondern diskutiert worden wären, findet ein anderer Bürger.
Hilfestellung
Die Stadt solle die Ideen anderer als Hilfestellung in einem schwierigen Prozess sehen und nicht als Gegenposition, findet Landschaftsarchitekt Gerd Aufmkolk. Er vergleicht das Reichsparteitagsgelände mit Pergamentpapier, das abgeschabt und immer wieder neu beschrieben wurde und dabei die Reste des vorherigen Schriftstückes teilweise bewahrte.
Im Bewusstsein der Nürnberger Bürger sei das Gelände wieder wie der Volkspark von 1912. Die triviale und profane Nutzung der Nazi-Bauten, beispielsweise in Form von Tennisspielen an der Rückwand der Zeppelintribüne, sei eine gute Bewältigungsform der Vergangenheit. Eine Rekonstruktion der Bauten aber lehnt auch er ab. „Wenn man etwas rekonstruieren will, dann den Park und nicht die Bauwerke“, sagt Aufmkolk.
Das letzte Wort in Sachen Reichsparteitagsgelände wird auch an diesem Abend nicht gesprochen und eine Lösung, die für jeden zufriedenstellend ist, wird es wohl nie geben. „Aber Diskutieren ist ja erlaubt und Nachdenken sowieso“, sagt Diskussionsleiter Reindl.
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