Diskussion um Nürnbergs alte NS-Bauten neu entbrannt

19.8.2014, 18:45 Uhr
Diskussion um Nürnbergs alte NS-Bauten neu entbrannt

© Michael Matejka

Robert Minge, Mitarbeiter des Hoch­bauamtes der Stadt Nürnberg, und Matthias Klaus Braun vom Nürnber­ger Kulturreferat erklären im Offenen Büro des Stadtplanungsamtes die städtischen Ideen. Dort läuft momen­tan die Ausstellung der Bau Lust „Unsere Tribüne — wie neu?“, in deren Rahmen der Verein die Diskussions­runde über die Zeppelintribüne veran­staltet. „Unser Ziel ist ein Dreiklang in der Nutzung des Geländes“, sagt Braun. Man wolle einen Ort histori­scher Bildung schaffen, das Gelände aber auch offen für die Freizeitgestal­tung halten und eine temporäre künst­lerische Nutzung ermöglichen. „Aber braucht man denn dazu die Steine?“, fragt Diskussionsleiter Josef Reindl provozierend.

Gegen den Erhalt

Reinhard Knodt, Schriftsteller und Philosoph, braucht sie nicht und Deutschland brauche seiner Ansicht nach auch kein erneuertes National­denkmal. International könnte dies als Lächerlichkeit gewertet werden, nach dem Motto: „Hört, hört! Die Deutschen renovieren ihre Hitlertribü­ne“, heißt es in seinem Podiums-State­ment mit dem bezeichnenden Titel „Eine deutsche Klagemauer darf es nicht geben“. „Die Tribüne und andere Teile des Geländes sind den Elementen preiszu­geben, sie sollen sichtbare Ruinen wer­den, während ringsum Gärten wach­sen“, heißt es dort weiter. Von der Idee, die Tribüne und andere Teile des Geländes für den Erhalt zu sanieren, hält Knodt nichts.

In der Kritik der Bau Lust-Vertreter steht auch die vorwiegende Konzen­tration der Stadt auf Zeppelintribüne und Zeppelinfeld. Baul Lust fordert stattdessen ein Konzept für das gesam­te Areal. Der früherer Leiter des Bil­dungszentrums der Stadt, Siegfried Kett, hat das Märzfeld als den Mittel­punkt des Reichsparteitagsgeländes benannt. Der Mittelpunkt liege also außerhalb der Grenze, die man heute allgemein als Ende des Reichspartei­tagsgeländes, nämlich die Große Stra­ße, versteht.

Akuter Handlungsbedarf

Auch Langwasser habe eine Geschichte, die nicht nur innerhalb des Stadtteils, sondern auch als allge­meine geschichtliche Information dar­gestellt werden müsse, findet Kett. Die Frage dürfe also nicht nur sein: „Was passiert mit der Zeppelintribü­ne?“, sondern „Welche Einzelprojekte gibt es noch?“ — es bedürfe hierfür eines Gesamtkonzeptes, sagt Kett.

Die Tribüne aber sei das einzige Bauwerk, das zu Zeiten des NS-Regi­mes erbaut, fertiggestellt und benutzt wurde, hält Kulturreferatsleiter Braun dagegen. Sie müsse deshalb als Projektionsfläche erhalten bleiben. Wegen des baulichen Zustandes beste­he mittlerweile außerdem akuter Handlungsbedarf, ergänzt Hochbau­amtsexperte Minge. „Fachingenieure und Architekten nehmen momentan noch Materialproben“, sagt er.

Für Untersuchungen und beispielhafte Instandsetzungsmaßnahmen muss die Stadt mit drei Millionen Euro in Vor­leistung treten. Auch dem Vorwurf, die Stadt habe einfach entschieden und keinen Raum für Diskussionen gelassen, müssen sich Minge und Braun stellen. Raum für Diskussionen gebe es künftig noch genug, lautet ihre Antwort. Die Frage, inwiefern man die bereits als Ziel fest­gelegte künstlerische Nutzung des Geländes umsetzen könne, biete die Möglichkeit einer Diskussion und auch die bauliche Entwicklung sei als Ganzes noch lange nicht beschlossen.

Momentan sei man noch bei den Untersuchungen, betont Minge er­neut. Anschließend werden verschie­dene Instandsetzungsmaßnahmen aus­probiert. Der Denkprozess zur späte­ren Gestaltung aber sei nach wie vor offen, heißt es seitens der Stadt-Ver­treter. „Wenn verschiedene Musterflä­chen angebracht sind, bieten diese wieder Raum für eine öffentliche Dis­kussion“, sagt Minge. Das festgesetzte Ziel am Ende sei nur, dass alle Räume und die Tribüne wieder vollständig begehbar sind, ohne Sicherungsmaß­nahmen oder Zäune. „Aber es gehört doch einfach dazu, dass Dinge verfallen. Das ist die Natur“, sagt eine Bürgerin. Es wäre außerdem redlich gewesen, wenn die Leitlinien der Stadt nicht einfach so verabschiedet, sondern diskutiert wor­den wären, findet ein anderer Bürger.

Hilfestellung

Die Stadt solle die Ideen anderer als Hilfestellung in einem schwierigen Prozess sehen und nicht als Gegen­position, findet Landschaftsarchitekt Gerd Aufmkolk. Er vergleicht das Reichsparteitagsgelände mit Perga­mentpapier, das abgeschabt und immer wieder neu beschrieben wurde und dabei die Reste des vorherigen Schriftstückes teilweise bewahrte.

Im Bewusstsein der Nürnberger Bür­ger sei das Gelände wieder wie der Volkspark von 1912. Die triviale und profane Nutzung der Nazi-Bauten, beispielsweise in Form von Tennis­spielen an der Rückwand der Zep­pelintribüne, sei eine gute Bewälti­gungsform der Vergangenheit. Eine Rekonstruktion der Bauten aber lehnt auch er ab. „Wenn man etwas rekon­struieren will, dann den Park und nicht die Bauwerke“, sagt Aufmkolk.

Das letzte Wort in Sachen Reichs­parteitagsgelände wird auch an die­sem Abend nicht gesprochen und eine Lösung, die für jeden zufriedenstel­lend ist, wird es wohl nie geben. „Aber Diskutieren ist ja erlaubt und Nach­denken sowieso“, sagt Diskussionslei­ter Reindl.

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