Domspatzen: Aufklärung gibt Opfern Würde zurück

18.7.2017, 11:36 Uhr
Missbrauch unter den Türmen des Regensburger Doms. Die lückenlose Aufklärung gibt den Opfern ihre Würde zurück, kommentiert NN-Redakteur Lorenz Bomhard.

© dpa/Armin Weigel Missbrauch unter den Türmen des Regensburger Doms. Die lückenlose Aufklärung gibt den Opfern ihre Würde zurück, kommentiert NN-Redakteur Lorenz Bomhard.

Nein, niemand kann die seelischen Wunden der einstigen Chorknaben ermessen. In den Kirchen und Konzertsälen engelsgleicher Gesang. In den Schlafsälen und den Stuben der Buben dann gräßliche Züchtigungen, sexuelle Übergriffe: Mehrere Hundert ehemalige Sänger der Domspatzen haben sich seit 2010 als Betroffene gemeldet. Ihr Leid kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber immerhin ist es jetzt dokumentiert, von einem Anwalt fachlich aufgearbeitet. Wie nach einem Strafprozess verschafft die Aufklärung den Betroffenen Genugtuung. Und Entschädigungen pro Opfer bis zu 20.000 Euro soll es auch geben.

Lange hatte es gedauert, bis die Aufarbeitung ins Rollen kam. Der frühere Bischof von Regensburg, Kardinal Gerhard Ludwig Müller hatte vor wenigen Jahren noch gemeint, der sexuelle Missbrauch durch Priester sei von den Medien aufgebauscht worden. Er sprach von Einzelfällen, für die einzelne Täter, nicht die Kirche verantwortlich seien.

Sein Nachfolger Rudolf Voderholzer forcierte die Aufklärung der Fälle. Und er zeigte seinen Schmerz, bat die Opfer um Vergebung. Seine Haltung war es, die den Opfern ihre Würde wieder gab. Er reichte ihnen die Hand und nahm sie ernst.

Missbrauch war kein lokal begrenzter Skandal

Der Fall der massenhaften Missbrauchs bei den Domspatzen ist auch ein Fall Ratzinger. Papst-Bruder Georg leitete die Sängerschar und schaute weg, als Kinder geschlagen wurden, so der Bericht. Misshandlungen und Missbrauch bei den Sängerknaben waren kein lokal begrenzter Skandal, sie betrafen die gesamte katholische Kirche. Als ausgerechnet der stockkonservative Müller die Glaubenskongregation in Rom leitete, murrte mancher Gläubiger. Ausgerechnet der Mann, der Macht statt Milde bevorzugte und die Laien verprellte, war bis vor wenigen Tagen fünf Jahre lang weltweit für die Aufklärung solcher Missbrauchsfälle zuständig.

Bischof Voderholzer und Anwalt Ulrich Weber haben nun der katholischen Kirche, nicht allein im Bistum Regensburg, zu neuem Ansehen nach den schlimmen Fällen verholfen. Sie freuen sich zu Recht über die positive Resonanz derer, die sich erst nach Jahrzehnten als Opfer outen durften.

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