„Du stehst alleine da“

27.12.2016, 14:49 Uhr
„Du stehst alleine da“

Wie einsam ein solch großer Verlust machen kann, mussten die beiden nicht nur während der Erkrankung des Sohnes erfahren, sondern vor allem im Anschluss. „Auf einmal stehst du völlig alleine da“, sagt Anna Laibold und erzählt von Familienangehörigen, die zu weit weg leben, Freunden, die nicht mehr anrufen und Nachbarn, die plötzlich die Straßenseite wechseln.

Eltern müssen sprechen

Heute, sagen beide, wissen sie, dass all dem eine große Unsicherheit zugrunde liegt. Aber die Enttäuschung war so groß wie die Verwunderung darüber, dass Hilfe nicht von dort kam, wo man es erwartet hatte. „Eltern möchten und müssen über ihren Verlust sprechen“, sagen die beiden. Trauer muss gelebt werden - auch wenn niemand sagen kann, wie lang das dauert. „Viele meinen, nach einem Jahr müsse doch alles wieder gehen“, sagt Jürgen Laibold. „Aber es geht definitiv nicht.“

Erfolglose Suche nach Hilfe

Auf der Suche nach einer Trauergruppe habe sie sich wie eine Exotin gefühlt, erzählt Anna Laibold, alle schienen nur den Verlust der Eltern zu betrauern, „aber wo sind denn die trauernden Eltern?“

„Du stehst alleine da“

© Foto: Katharina Wasmeier

Eine Sozialpädagogin, mit denen das Ehepaar in Kontakt stand, gab den entscheidenden Anschub: Dann macht doch selber was! Und die Laibolds machten. Ein Jahr nach dem Tod ihres Sohnes gründeten sie „Kony e.V.“ mit der Hauptintention, sich „um Leute zu kümmern, die in der gleichen Situation sind wie wir.“ Was zum einen bedeutet, die Öffentlichkeit auf die Sorgen und Nöte trauernder Eltern aufmerksam zu machen, zum anderen, Raum und Zeit für die Betroffenen selbst zur Verfügung zu stellen. Auch wenn sie mittlerweile viel Erfahrung haben: „Wir können und wollen nicht therapieren“, betonen die Laibolds. „Trauernde Leute sind aber auch nicht krank.“

Wie groß dennoch die Unterstützung und Kraft ist, die der Verein, der unter dem Dachverband „VEID“ (Bundesverband Verwaiste Eltern und deren trauernde Geschwister in Deutschland e. V.) Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband ist, zeigt nicht zuletzt der Zulauf, den die Veranstaltungen des Kony e. V. erfahren. Neben der „Herzenskinder“-Andacht in der Nürnberger Kirche St. Klara jeden ersten Donnerstag im Monat bietet einmal monatlich das „Café Zukunft“ all denjenigen einen Ort, einen Platz und Anker, die hilflos umherirren durch die Trauer. Beim „offenen Treff von Betroffenen für Betroffene“ sind alle Emotionen zugelassen, dort kann all das thematisiert werden, was „draußen kein Mensch mehr hören will“.

Man darf anonym bleiben

Zwischen zehn und zwanzig Personen aus einem Radius von 50 Kilometern finden jeden Monat den Weg in den Kalchreuther Kulturbahnhof. Manche kommen nach dem ersten Mal nie wieder. Die meisten bleiben. Weil man hier anonym sein darf und gleichzeitig frei in seinen Gefühlen, weil es Regeln gibt wie eine Schweigevereinbarung, die einen sicheren Rahmen bieten für die Trauernden, weil man Geschichten erzählen darf und über das Kind reflektieren und von weiterführenden Angeboten erfährt. Auch eine große Sammlung von Trauerbüchern haben die Laibolds angelegt, die sich die Betroffenen ausleihen können.

„Man ist nicht mehr der Mensch, den man kannte“, fasst Anna Laibold zusammen. Den Umgang damit müsse man genauso lernen wie den Umgang mit dem Verlust.

 

Kontakt: Mo. 10 bis 12 Uhr, Do. 17.30 bis 19.30 Uhr, Telefon (09 11) 51 82 47 0, info@kony-ev.de, www.kony-ev.de

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