Eine Wohngemeinschaft auf Rädern

14.5.2011, 00:00 Uhr
Eine Wohngemeinschaft auf Rädern

© Bernd Böhner

Wann immer die Waffeldorfer zu Besuch bei ihren Eltern sind, beschleicht sie ein seltsames Gefühl. „Es fühlt sich wie Verschwendung an“, erzählt eine Bewohnerin. Die Waffeldorfer haben sich nämlich zum Ziel gesetzt, einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen.

Zwischen neun und 42 Jahren sind die Waffeldorfer alt. Ihr Zuhause ist ein kleines Areal in der Natur, auf dem mehrere Wagen aufgestellt sind. Die Mitte des Platzes, wo sich eine Feuerstelle, Bänke und ein Tisch befinden, ist das zweite Wohnzimmer der Gruppe, zu der unter anderem Studenten, ein Wissenschaftler und eine Journalistin gehören. Jeder der neun Bewohner hat seinen eigenen, zur Wohnung umgebauten Wagen, in dem er auf zehn bis 20 Quadratmetern sein kleines Reich geschaffen hat.

Einen der Wagen haben die Bewohner zu einem Gemeinschaftswagen mit Esszimmer und Küche umfunktioniert, wo die Waffeldorfer gemeinsam kochen — und vor allem reden, denn dem fränkischen Begriff „Waffeln“ verdankt das Dorf seinen Namen. „Der Gemeinschaftssinn ist hier sehr wichtig, wir treffen alle Entscheidungen zusammen“, sagt Oliver, der beinahe Bewohner der ersten Stunde ist. Zwei Monate nach der Gründung ist er eingezogen. Heute kann er es sich nicht mehr vorstellen, in einem normalen Haus zu wohnen.

Wie in jeder anderen Wohngemeinschaft auch gibt es im Waffeldorf hin und wieder kleinere Unstimmigkeiten, was den Abwasch oder das Putzen betrifft. Außerdem fällt in dem Wagendorf noch eine Reihe anderer Aufgaben an. Die Komposttoilette muss zum Beispiel immer wieder ausgeleert werden, und das Leben ohne fließendes Wasser und Zentralheizung erfordert einen hohen Arbeitsaufwand.

Das Trinkwasser wird mit einem Trecker angefahren und muss im Winter häufig erst aufgetaut werden. Zum Duschen, Waschen und Geschirrspülen verwenden die Waffeldorfer allerdings gesammeltes Regenwasser und verbrauchen so täglich nur etwa vier Liter Trinkwasser pro Person. Ihren Strombedarf decken sie durch ein Windrad und Solarzellen.

Von den Gründungsmitgliedern wohnt heute keiner mehr fest im Waffeldorf. Entstanden ist das alternative Wohnprojekt aus einer herkömmlichen WG, die auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum in Erlangen war.

Inspiriert von Wagendörfern aus anderen Städten, haben sie im Jahr 1995 kurzerhand einige Wagen auf dem Gelände der ehemaligen Ferris Barracks am Röthelheimpark aufgestellt. Inzwischen besteht eine Duldungsvereinbarung mit der Universität Erlangen, der das Areal gehört. Gegen eine Stellplatzgebühr darf die Gruppe dort wohnen, aber keine weiteren Wagen aufstellen.

Im Gegensatz zu Wagendörfern in anderen Städten, wo es oft Probleme mit Behörden gibt, fühlen sich die Waffeldorfer in Erlangen allgemein akzeptiert. Mit der Obrigkeit gibt es keine größeren Probleme und auch Spaziergänger und Anwohner zeigen sich meist sehr interessiert an dem exotisch wirkenden Wohnprojekt.
 

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