Elftes Todesopfer nach Zugunglück in Bad Aibling

11.2.2016, 16:00 Uhr
Nach der Rettung der Opfer steht die Bergung der Unglückszüge mit schwerem Gerät an. Bis Sonntag soll die Zugstrecke wieder frei sein.

© dpa/Uwe Lein Nach der Rettung der Opfer steht die Bergung der Unglückszüge mit schwerem Gerät an. Bis Sonntag soll die Zugstrecke wieder frei sein.

Die Ursache des schweren Zugunglücks in Bayern ist weiter unklar. Bisher gebe es keine Hinweise auf einen technischen Fehler oder Fehler bei der Signalbedienung durch einen der Lokführer, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch in Bad Aibling. Um die Ursache für die verheerende Kollision zweier Regionalzüge der privaten Bayerischen Oberlandbahn auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim zu klären, arbeitet nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) inzwischen eine 50-köpfige Sonderkommission an dem Fall.

Zu den bisherigen Ergebnissen wollten die Pressestellen von Polizei und Staatsanwaltschaft unter Verweis auf laufende Ermittlungen keine Stellung nehmen. Ein Polizeisprecher vor Ort sagte jedoch, es könne ein Fehler oder Vergehen - etwa des diensthabenden Fahrdienstleiters - nicht ausgeschlossen werden.

"Kein dringender Tatverdacht"

Doch sei der Fahrdienstleiter bereits unmittelbar nach dem Zusammenstoß der Regionalzüge am Dienstag befragt worden. Daraus ergebe sich noch "kein dringender Tatverdacht", sagte Polizeisprecher Jürgen Thalmeier. Die Ermittlungen stünden noch am Anfang. Bahnchef Rüdiger Grube sagte: "Haben Sie Verständnis, dass ich den Untersuchungsergebnissen nicht vorgreifen möchte."

Die Deutsche Presse-Agentur will aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, dass die Tragödie im oberbayerischen Landkreis Rosenheim durch menschliches Versagen ausgelöst worden war. Am Mittwoch ermittelten die Beamten auch im Stellwerk von Bad Aibling. Sie werteten zudem alle bislang gefundenen Blackboxen aus. Auch Experten der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes waren an der Unfallstelle. Polizei und Staatsanwaltschaft betonten am Mittwoch, es könne noch Wochen dauern, bis Klarheit herrsche.

Identität von allen Todesopfern geklärt

Am Donnerstagnachmittag stieg die Zahl der Opfer dann auf elf Personen, ein schwer verletzter 47-Jähriger aus dem Landkreis München war am Donnerstagnachmittag seinen Verletzungen erlegen. Bei allen Verstorbenen handelt es sich ausschließlich um Männer im Alter von 24 bis 60 Jahren, wie Polizeisprecher Thalmeier sagte. Unter ihnen seien auch die zwei Lokführer sowie ein Lehr-Lokführer, der routinemäßig einen der beiden Männer auf seiner Fahrt begleitet hatte.

Am Donnerstag aktualisierte die Polizei die Zahl der Verletzten. Demnach gab es neben den elf Toten 20 Schwer- und 62 Leichtverletzte.  Von den leichter Verletzten konnten viele das Krankenhaus nach einem kurzen Aufenthalt bereits wieder verlassen.

150 Helfer räumen inzwischen weiter auf. Einige sind seit Dienstag im Einsatz. Am Mittwoch traf schweres Gerät, darunter ein Spezialkran, für die Bergung der Zugwracks in Bad Aibling ein. Am Donnerstagvormittag zogen sie fünf noch fahrfähige hintere Waggons zu den jeweils nächstgelegenen Bahnhöfen, nachdem die Arbeiten in der Nacht unterbrochen worden waren. Abschlossen werden sollen die Arbeiten nach Angaben der Deutschen Bahn spätestens am Sonntag. Die Aufräumarbeiten werden durch die gleichen Umstände erschwert wie die Rettung der Opfer: Die Unglücksstelle liegt in einem Waldstück an einer Hangkante, die steil zu einem Kanal abbricht, und ist nur schwer zu erreichen.

Dritte Blackbox nach wie vor vermisst

Den dritten noch vermissten Fahrtenschreiber konnten die Beteiligten bis zum Donnerstagmittag nicht finden. "Es geht sehr langsam voran, weil es sehr schwierig ist, diese beiden ineinander verkeilten Zuggarnituren voneinander zu trennen", erläuterte ein Polizeisprecher. "Wir hoffen, dass wir heute, vielleicht morgen an die Blackbox herankommen." Die Bergungsarbeiten sollen bis zum Sonntag abgeschlossen sein.

Mehr als 300 Menschen erklärten sich nach dem Zugunglück zu Blutspenden bereit. "Nach der überwältigenden Resonanz der Spender, hat sich die Lage bereits nach einem Tag wieder beruhigt", teilte der Blutspendedienst München am Mittwoch auf seiner Homepage mit, der tags zuvor zu Spenden aufgerufen hatte. "Damit können die Verletzten im betroffenen Unglücksgebiet versorgt werden."

Gedenken an Opfer

Die Region trauert. Am Sonntag will Bad Aibling in einem ökumenischen Gottesdienst der Opfer gedenken. Das Kondolenzbuch im Rathaus, in das sich auch die Politiker bei ihrem Besuch vor Ort eingetragen hatten, ist fast bis zur letzten Seite voll. "Ich bin so traurig", hat ein Junge in krakeliger Kinderschrift hineingeschrieben."„In tiefer Trauer", schreibt Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Bayern.

Auch in der Kirche Maria Himmelfahrt drücken die Bad Aiblinger ihre Anteilnahme, Trauer und Bestürzung aus. "Danke, dass du mich beschützt hast", wendet sich jemand an Gott. Viele hatten in den Faschingsferien frei. An einem normalen Arbeits- und Schultag wären die morgendlichen Züge voller gewesen – es hätte mehr Opfer gegeben.