Erdkabel und Dialog: So plant Bayern die Stromtrassen

27.9.2016, 18:47 Uhr
Ab unter die Erde: Die bayerische Staatsregierung findet Gefallen an der Idee, die geplanten Starkstromleitungen unterirdisch verlaufen zu lassen.

© dpa Ab unter die Erde: Die bayerische Staatsregierung findet Gefallen an der Idee, die geplanten Starkstromleitungen unterirdisch verlaufen zu lassen.

Die Vorschläge für die unterirdische Verlegung der umstrittenen Starkstromautobahnen durch ganz Deutschland stoßen bei der bayerischen Staatsregierung auf große Zustimmung. "Wir gehen von einer erheblichen Reduzierung des Widerstandes aus", sagte Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) am Dienstag in München. Sie sei der festen Überzeugung, dass den betroffenen Kommunen, Bürgern und Grundstücksbesitzern eine Erdverkabelung besser zu vermitteln sei als der Bau von bis zu 70 Meter hohen Masten für Freileitungen.

Nach den Arbeiten werden es keine Schneisen geben, auf dem Boden könne ganz normal Landwirtschaft betrieben werden. Nur bei tiefwurzelnden Pflanzen wie Bäumen gebe es Einschränkungen.

Bayern lege großen Wert auf den Einsatz modernster Technologien. Anders als bei dem vor rund zwei Jahren auch wegen bayerischer Proteste gescheiterten ersten Versuch der Trassenplanung setzen die neuen Vorschläge nicht nur auf Erdverkabelung, sondern auch auf mehr Dialog und Mitsprache. So sieht das Konzept für beide Leitungen jeweils einen Kilometer breite Trassenkorridor-Alternativen vor.


Die Wege der neuen Stromautobahnen durch Bayern

Vier Regierungsbezirke in Bayern sind direkt vom Bau der beiden Starkstromleitungen SüdLink und SüdOstLink betroffen: die Oberpfalz, Oberfranken, Unterfranken und Niederbayern. Welche Orte konkret, ist noch offen.

SÜDLINK: Für den Verlauf von der Nordseeküste bis Baden-Württemberg gibt es einen östlichen und einen westlichen Vorschlag, jeweils mit Varianten und Querspangen – das gilt auch für Unterfranken. In der Ostvariante käme SüdLink über Thüringen im Bereich Mellrichstadt oder Melpers nach Nordbayern. Für den weiteren Verlauf in Richtung Grafenrheinfeld wurden zwei Alternativen vorgestellt. Rhön und Spessart dürften kaum tangiert werden. In der Westvariante würde SüdLink über Hessen bei Bad Brückenau nach Bayern kommen.

SÜDOSTLINK: Die oberfränkische Stadt Hof wird je nach Variante entweder westlich oder östlich von der neuen Leitung umschifft. Für die westliche Variante spricht, dass dann das Fichtelgebirge weniger betroffen wäre. Startpunkt ist Magdeburg in Sachsen-Anhalt, Zielpunkt ist das niederbayerische Ohu bei Landshut. Auch bei Regensburg ist eine westliche und eine östliche Führung möglich.

(Die Infografik finden Sie auch hier zum Download.)


Erdverkabelung statt Monstertrassen

Ab der kommenden Woche sollen die Planungen für Informationsbörsen im gesamten Trassenbereich starten. Die danach ermittelte Vorzugstrasse soll bis Ende März 2017 bei der Netzagentur eingereicht werden. Ein Baubeginn ist frühestens 2020 möglich.

Selbst unter idealen Bedingungen können die beiden für den Süden enorm wichtigen Leitungen frühestens 2024, wahrscheinlicher aber 2025 ans Netz gehen - und damit drei Jahre nach dem Aus für das letzte Atomkraftwerk in Bayern. Damit die Netze stabil bleiben, müssen die Betreiber kostenintensiv mit Notmaßnahmen arbeiten.

SPD, Grüne und Freie Wähler werfen deshalb der Staatsregierung vor, sie treibe die Kosten der Energiewende unnötig in die Höhe. Die Zeche, warnen sie, zahle letztlich der Bürger, weil die Betreiber die Kosten auf die Stromrechnung umlegten. Die CSU lässt das nicht gelten. Für sie ist entscheidend, dass die großen Überlandleitungen vom Tisch sind. Das sei ein voller Erfolg. Denn gegen die erdgebundenen Kabel könne niemand mehr vor Ort ernsthaft Einwände erheben, heißt es. Denn außer im Wald seien sie nirgends sichtbar. Selbst die Bauern könnten ihren Ackerbau dort fortsetzen.

Die Gesamtkosten für den Bau der beiden Stromautobahnen SüdLink und SüdOstLink mit sechs oder gar sieben Milliarden Euro seien kein Anlass für Kritik, betonte Aigner. Zum einen seien die Investitionskosten auf 40 Jahre angelegt, zum anderen würden bereits jetzt bestehende Netzengpässe im Falle eines Nichtbaus ebenfalls jährliche Kosten in Milliardenhöhe mit sich bringen.

Die beiden gigantischen Stromautobahnen enden in Bayern, der SüdLink in Unterfranken, der SüdOstLink in Niederbayern. Sie sollen Windstrom aus dem Norden transportieren. Von der Leitungsführung betroffen sind auch die Oberpfalz und Oberfranken. Woher die Leitungen am Ende genau laufen, sei einzig von fachlichen Gründen abhängig, betonte Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer (CSU): "Es gibt keine politische Trasse."

Bund Naturschutz übt Kritik

Auch der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Schweinfurt, Edo Günther, lehnte den Bau generell ab. Mit dem Endpunkt der Trasse und dem geplanten Verlauf sei Unterfranken "belastet von vorne bis hinten", sagte der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Schweinfurt, Edo Günther, am Dienstag. "Und deshalb sagen wir: Wir brauchen das nicht." Politik und Netzbetreiber hätten keinen Nachweis erbracht, dass die Trasse überhaupt notwendig sei. Auch aufkommende Kritik, wonach Unterfranken von dem neuen Vorschlag für den SüdLink besonders betroffen sei, wies Aigner zurück. Die Leitung werde nicht über Grafenrheinfeld hinausgehen. Dies sei wegen der bereits bestehenden Überlastung des dortigen Netzknotenpunktes sicherheitstechnisch zu begründen und das werde die Staatsregierung auch tun.

Pschierer kündigte zudem an, auch den Anliegen für finanzielle Entschädigungen von Landwirten und Waldbesitzern bestmöglich nachkommen zu wollen. Engpässe in der Stromversorgung müssen die Bayern laut Aigner auch nicht fürchten, selbst wenn die Leitungen erst deutlich nach dem Atomausstieg 2022 ans Netz gehen sollten. "Es sind genügend Kapazitäten vorhanden, es ist technisch machbar, auch wenn es Geld kosten wird", sagte Aigner.

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