Erlangen-Höchstadt: Ein Landkreis im Wirtschaftsboom

31.12.2018, 05:49 Uhr
Der Neubau des Landratsamtes Erlangen-Höchstadt hebt sich von üblichen Behörden-Neubauten wohltuend ab.

© Athina Tsimplostefanaki Der Neubau des Landratsamtes Erlangen-Höchstadt hebt sich von üblichen Behörden-Neubauten wohltuend ab.

Was war der größte Aufreger?

Die Aufregung begann zwar schon im Herbst 2017, doch die Affäre um den suspendierten zweiten Landrat Christian Pech (SPD) hat den Landkreis das ganze Jahr über beschäftigt und kurz vor Weihnachten noch einmal an Brisanz gewonnen. Gegen den Möhrendorfer ist Anklage erhoben worden. Er steht im Verdacht, in millionenschwere Zoll-Betrügereien beim Import chinesischer Solar-Module verwickelt zu sein – durch Beihilfe. Pech bestreitet dies und hält auch – trotz Suspendierung durch die Regierung von Mittelfranken – an seinem Kreistagsmandat und dem Stellvertreterposten fest. Landrat Alexander Tritthart hat Pech dagegen wiederholt zum Rücktritt aufgefordert.

Für Aufregung hat auch ein Bürgerentscheid in Baiersdorf gesorgt. Die Mehrheit stimmte am Sonntag der Landtagswahl gegen ein neues Gewerbegebiet im Norden der Stadt.

Was war das größte Projekt im Landkreis?

Beschlossen noch vom alten Kreistag und dem damaligen Landrat Eberhard Irlinger (SPD) ist im Juli das neue Landratsamt an der Erlanger Nägelsbachstraße nach drei Jahren Bauzeit eröffnet worden. Der Bau hat knapp 40 Millionen Euro gekostet, blieb exakt im Kosten- und im Zeitplan und ist eine der modernsten Verwaltungsbauten Bayerns. Das alte Landratsamt am Erlanger Marktplatz ist inzwischen an einen Bamberger Bauträger verkauft worden.

Gleichzeit lässt der Landkreis noch das Kreiskrankenhaus St. Anna in Höchstadt renovieren und umbauen. Die Klinik ist seit 2016 eine Baustelle. Im März soll es damit vorbei sein. 18 Millionen Euro, davon 15 Millionen vom Freistaat, fließen unter anderem in eine neue Intensivstation, eine neue Gastroskopie und Krankenzimmer. Zudem hat das Krankenhaus seine Zusammenarbeit mit den Erlanger Universitätskliniken intensiviert. Erlanger Ärzte tun so Dienst im Kreiskrankenhaus an der Aisch.

Was muss in den nächsten Jahren angepackt werden?

Im kommenden Jahr steht der Landkreis vor einer Maßnahme, die noch größere Dimensionen hat als das bisherige Rekord-Bauwerk Landratsamt. Das Emil-von-Behring-Gymnasium in Spardorf wird erneuert. Dies wird die teuerste Maßnahme, die ERH je angepackt hat. Geld steckt der Landkreis auch in Sanierungsarbeiten an seinen Berufsschulen. Hauptstandorte sind Herzogenaurach und Höchstadt.

Weiter vorangebracht werden muss das große Verkehrsprojekt der drei Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach, die Stadt-Umland-Bahn (StUB). Im zu Ende gehenden Jahr wurden Hunderte von Trassen-Vorschlägen nach einem festgelegten Verfahren bewertet, um schließlich eine Vorzugstrasse für den Weg der Straßenbahn von Nürnberg-Am Wegfeld über Erlangen nach Herzogenaurach zu generieren. Auf dem Gebiet des Landkreises, sprich der Stadt Herzogenaurach, ist dieser Findungsprozess abgeschlossen. Gleichzeitig hat sich in Herzogenaurach Widerstand formiert. Eine Bürgerinitiative verfolgt das Ziel, die alte Eisenbahnstrecke durch das Aurachtal nach Erlangen-Bruck als S-Bahn wiederzubeleben und dies per Bürgerentscheid durchzubekommen. Getragen wird sie hauptsächlich von Bewohnern jener Straße, durch die die StUB von Norden her nach Herzogenaurach einfahren wird.

Für die StUB wurden vor kurzem neue Fahrgast-Prognosen veröffentlicht, die sehr viel günstiger ausfallen als die ersten. Und im Frühjahr haben sich insgesamt 14 Bürgermeister von Gemeinden östlich von Erlangen – im Landkreis Erlangen-Höchstadt, aber auch im Forchheimer Land – zusammengetan, um für einen StUB-Ast nach Osten zu kämpfen.

Weiter arbeiten müssen der Landkreis und seine Gemeinden an der Integration der Flüchtlinge, die auf Dauer hierbleiben. Dies ist in einem Landkreis der teuren Grundstücke und der knappen Wohnungen vor allem eine Frage des Wohnraums.

Was hat sich zum Guten gewendet?

Zum Guten gewendet hat sich der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) eigentlich schon vor Jahren, als der Kreistag unter Vorsitz von Eberhard Irlinger beschloss, das Busnetz in ERH gravierend auszubauen und die Bus-Taktzeiten deutlich zu verkürzen. Jetzt sind die alten Verträge ausgelaufen und Landrat Alexander Tritthart (CSU) setzt das Werk als Chefsache um. Höchstadt bekam nicht nur eine Schnellbus-Verbindung via Autobahn nach Erlangen, sondern auch einen Zehn-Minuten-Takt auf der Normalstrecke. Auch Eckental darf sich über einen Schnellbus nach Erlangen freuen. Herzogenaurach ist mit einer zusätzlichen Linie noch besser angebunden. Es folgen noch die Linienbündel im oberen Aurachtal und die um Höchstadt.

Welche Veranstaltung bleibt besonders in Erinnerung?

Ein historischer Tag für den Landkreis war der 7. Juli. An diesem Freitag wurde das neue Landratsamt eingeweiht. Ein Publikumsmagnet war Baiersdorf am 1. August. Die Stadt war Etappenziel der BR-Radltour. Zum Konzert an diesem Abend kamen etwa 13.000 Menschen.

Welches Thema wurde von der Kommunalpolitik vernachlässigt?

Das Problem ist erkannt und wird auch bearbeitet, doch schnell geht es nicht gerade: Mietwohnungsbau würde den größten Mangel dieser attraktiven Region lindern. Praktisch jede Gemeinde hat dafür auch schon Konzepte erörtert und Grundstücke gesucht. Doch über Trägerschaften wird immer noch diskutiert. Die GeWo Land, eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft von Landgemeinden, hat Geburtshilfe von der GeWo Erlangen, doch nicht den erhofften Zulauf durch die Gemeinden. Hauptfurcht einiger Land-Kommunen: Die Erlanger GeWo könnte sich ins Belegungsrecht einmischen und mit den ländlichen Wohnungen nicht die ländliche Not lindern, sondern die städtische.

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