23. August 1964: München behält sich sein Urteil vor

23.8.2014, 07:00 Uhr

An seiner Stelle sollte Landrat Heinz Beckh bei der folgenden Werksbesichtigung und beim einfachen Mittagessen auf Einladung des Großkraftwerks die „honneurs“ erweisen.

In den 150 Minuten der Mitgliederversammlung war einiges geschehen, was Dr. Lades diese Ruhe gab. Bedauernd hatte Ministerialdirigent Dr. Meyer von der Landesplanung in München Auffassungen über den weiteren Gang der Verfahren korrigiert, mit dem Hinweis sogar, selbstverständlich werde in München auch ein vorgeschlagener Ersatzstandort für das Kraftwerk in Oberfranken geprüft: es handelt sich wohl um Eggolsheim.

Bedauernd hatte ferner Prof. Dr. Josef Ipfelkofer beklagt, dass das Verfahren in der Landesplanung „offensichtlich nicht abgeschlossen war“. Das Großkraftwerk wollte spätestens 1964 mit dem Bau beginnen. Bisher sei es mit Recht immer so gewesen, dass die Verfahren über die Raumordnung hinaus „nebenher erledigt“ wurden: „Im Übrigen können sie bei uns abgeschlossen werden, bis wir in Betrieb gehen, wie wir es auch in Happurg erlebt haben.“

Aufgrund solcher Erfahrungen hat das mittelfränkische Energieunternehmen erhebliche Aufwendungen gemacht. Nach Prof. Ipfelkofer wurden 1,7 Mill. DM für Grundstücke und 1,85 Mill. DM für die Planung ausgegeben sowie Kessel und Maschinen im Wert von 90 Mill. DM bestellt.

Der Standpunkt der Landesplanung im Bayerischen Wirtschaftsministerium ist aber hart. So hatte es schon Staatssekretär Dipl.-Ing. Gerhard Wacher am Donnerstag zu später Stunde in Erlangen erklärt, und Dr. Meyer erwähnte nun noch eine Zusage des Wirtschaftsministers Dr. Schedl, als er die Prinzipien erläuterte.

Für weitere Gutachten offen

Danach hat das Projekt als überregional zu gelten: wegen seiner Größe, wegen der Vielzahl der Beteiligten und weil ein „grenzüberschreitender“ Vorschlag für den Standort gemacht worden ist, der sach- und ordnungsgemäß zu prüfen sei.

Deshalb habe nicht die Raumordnungsbehörde in Mittelfranken das letzte Wort. Das abschließende Gutachten sei vielmehr Aufgabe des Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr. Diesen Standpunkt veröffentlichte das Ministerium in seinem Amtsblatt in der Erwartung, man werde das in Mittelfranken lesen.

Einerseits würden selbstverständlich auch weitere Gutachten und Stellen gehört werden können, zusätzlich zu den schon benannten, betonte die Landesplanung weiter. Andererseits würden die Unterlagen in den nächsten Tagen abgegeben, damit die Landesplanung ihr Gutachten gründlich und doch rasch ausarbeiten kann. Das war zunächst die einzige Hoffnung, die dem Großkraftwerk eröffnet wurde.

Als die Gäste aus Mittelfranken, keineswegs Vertreter, wie es wegen der Urlaubszeit angenommen war, sondern fast ausnahmslos die Spitzen der Mitgliedsgemeinden und -kreise, am Morgen in Gebersdorf eintrafen, arbeitete das Kraftwerk fast ohne sichtbaren Rauch. Nur die modernsten Teile waren in Betrieb. Dafür entquollen den Kühltürmen dicke Nebelschwaden, die sich erst über den Schornsteinen auflösten.

Ein paar Bemerkungen schickte Oberbürgermeister Dr. Lades voraus, der die Sitzung leitete. Erlangens Schwerpunkt werde auch in Zukunft östlich der Regnitz sein, obgleich in etwa zehn Jahren rund ein Drittel des Baugebietes westlich des Tales liegen werde. Die Stadt wolle das Regnitztal auf weite Sicht als „grüne Lunge“ behalten. Der Stadtteil östlich des Kraftwerksprojektes habe heute schon 9000 Einwohner.

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