»An unseren Händen klebt Tinte«

24.8.2006, 08:08 Uhr

»Mundpropaganda«, das sind Tobias Falberg, Matthias Kröner, Vincent Eugéne Noel und Leonhard F. Seidl. Alle vier leben in Nürnberg, sind jung (zwischen 26 und 30), machen seit noch viel jüngeren Jahren Literatur, und jeder hat längst »solo« publiziert und Preise gewonnen. Da aber enden die Gemeinsamkeiten auch schon: Textlich zieht jeder sein eigenes Ding durch. Dass sie aber zu viert für polyphone Vielfalt sorgen, ist der Grund, weshalb sie seit 2003 als »Band« firmieren.

Matthias Kröner, deren Gründer, könnte kennen, wer Dialektdichtung schätzt: Kröners Mundart-Texte sind oft in einschlägigen BR-Sendungen wie »Hingschriebn und Aufgspielt« zu hören. In seinem Werk macht Mundart freilich nur »etwa ein Zehntel« aus, und auch auf dem Nebenpodium II im Schlossgarten wird Kröner seine Lyrik und Prosa auf Hochdeutsch lesen. Doch egal in welchem Zungenschlag: stets will Kröner die Welt »verständlich« und »mit vorhandenem Wortmaterial« ins Bild setzen .

Anders Tobias Falberg, der sich vor allem der Lyrik widmet. Über der Hermetik seiner statischen Situations-Beschreibungen, die oft an ein »Du« gewandt sind, lässt sich lange brüten. Das geht beim Hören zwar kaum, doch sind die sonore Rhythmik und spannende Bildwelt seiner Verse auch durchaus »kulinarisch« erfahrbar. Fast nur Prosa indes schreibt Leonhard Seidl - gerne mit altbayerischem Einschlag, gerne mit ätzendem Witz. Wörtlich waltet letzterer in Seidls Lesungstext »Normal ist nur Benzin«. Da regnet es Säure, und der tödlich angefressene Ich-Erzähler rechnet rasch noch mit Eltern und Ex-Frau ab. Der Mann für die düsteren Seiten des ganz realen Lebens ist Vincent E. Noel. Seine ersten Bücher handelten von Alkoholismus und der Borderline-Krankheit. Aus seinem dritten, »Die Ballade von Marie und dem ewigen Regen«, wird er einen melancholischen, faszinierend soghaften »stream of consciousness« in lyrischer Prosa lesen.

Der »Tinten«-Titel also bündelt, düster-ironisch und ein wenig verrätselt, alle Tonlagen der literarischen Boygroup, vor allem regional aktiv ist und längst ihre Stamm-Fans hat. Kostproben gibt es im Internet unter www.mundpropaganda-online.de. Und von den Mausklicks gibt es auch bestimmt keine Tintenflecken.

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