Archiv droht zu verschimmeln

8.7.2009, 00:00 Uhr
Archiv droht zu verschimmeln

© Star

Der Erlanger Stadtarchivar Andreas Jakob gilt als einer, der so schnell nicht aus der Ruhe zu bringen ist - wer das «Gedächtnis einer Stadt» (so werden die Archive längst geschätzt) aufbewahrt, muss selbst ein wenig über den Dingen stehen, benötigt langen Atem und stoische Geduld. Nun aber ist nicht etwa Feuer unterm Dach, sondern Feuchtigkeit in den Magazinen. Und da ist der Stadtarchivar schon nahe am Verzweifeln.

Denn gut einen Monat, bevor im östlichen Teil des Museumswinkels der Umbau zum neuen Stadtarchiv beginnt, kämpft dieses inzwischen in drei Magazinen gegen massiven Schimmelbefall. In diesen Magazinen herrscht seit Wassereinbrüchen und anderen Bauschäden (sowie ungewöhnlich nasser Witterung) eine relative Luftfeuchtigkeit von bis zu 80 Prozent - ideal für den Erhalt der Bestände an Büchern, Urkunden, Karten, Bildern und anderen Gegenständen wäre aber bei maximal 18 Grad Raumtemperatur eine Luftfeuchtigkeit von nur rund 50 Prozent.

Folge: Pilzbefall auf allem, was aus Papier oder Stoff besteht. Und es ist keineswegs klar, um welche Pilze es sich handelt. Solche, die «nur» die Archivalien zerstören (was schlimm genug wäre), oder gar solche, die dem menschlichen Organismus zusetzen? Deshalb laufen derzeit auch Laboruntersuchungen im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit - den Archivmitarbeitern soll es schließlich nicht so gehen wie den neugierigen Mönchen bei Umberto Eco, die sich an ihrer Bücherlust vergifteten.

Betroffen sind laut Auskunft des Stadtarchivars auch Werke aus dem reichhaltigen Nachlass des durch seine Bilder zum Leben des Reformators Martin Luther berühmten «Luther-König», also des Malers und Kupferstechers Gustav König, der 1808 in Coburg geboren wurde und am 30. April 1869 in Erlangen starb. Er gilt als einer der größten deutschen Künstler des 19. Jahrhunderts in seinem Fach.

Befallen sind aber auch wertvolle Bücher des 18. Jahrhunderts sowie vom Gesetz her dauernd aufzubewahrende Kassenunterlagen. Nachdem bereits im vergangenen Jahr für die konservatorische Behandlung von 100 Kassenbüchern - das sind lediglich etwa zwei laufende Meter von über 300 Metern kontaminierten Archivguts in dem am meisten befallenen Magazin - ein hoher Betrag ausgegeben werden musste, wurden auch jetzt die schlimmsten Fälle nach Fürth an einen Restaurator abgegeben.

Dabei versucht das Archiv, das Problem soweit wie möglich mit eigenen Kräften zu lösen. Da die MitarbeiterInnen mit laufenden Aufgaben überlastet sind, wurde für ein halbes Jahr ein externer Mitarbeiter angestellt, der - natürlich unter fachlicher Anleitung und unter Einhaltung der Sicherheitsvorschriften - die sehr aufwändigen und langwierigen Arbeiten durchführt.

Eigentlich sollten die gereinigten Objekte in einen eigenen «Quarantäneraum» in ein städtisches Gebäude gebracht werden. Die Rettungsaktion droht aber zu scheitern: In dem Raum herrscht mittlerweile ebenfalls eine Luftfeuchtigkeit von um die 80 Prozent. «Wir müssen also schon wieder nach geeigneten Räumen suchen», klagt Jakob, «denn mit verschimmelten Büchern und Akten kann man schließlich keinen Umzug in ein neues Archiv machen.»