Auch in Erlangen: "Handwerk braucht ein besseres Image"

10.7.2018, 11:00 Uhr
Auch in Erlangen:

© Harald Sippel

Herr Beck, die Probleme für das Handwerk sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht weniger geworden. So wird es schwieriger, Nachwuchs zu generieren. Haben Politik und Gesellschaft reagiert?

Hier haben Politik und Gesellschaft bisher nicht ausreichend agiert, deshalb muss jetzt reagiert werden. Es sollte nicht sein, dass Unterschiede zwischen ausgebildeten Handwerkern und Hochschulabsolventen gemacht werden. Jeder verdient die gleiche Anerkennung. Außerdem sollte das Elternhaus generell stärker involviert werden. In der heutigen Zeit wünschen sich Eltern oftmals, dass ihre Kinder ein Studium absolvieren, da die Zukunftschancen, die eine handwerkliche Ausbildung bietet, nicht richtig bekannt sind. Zudem ist die Gehaltsschere zwischen Handwerkern und Hochschulabsolventen nicht mehr so groß wie früher. Ergo: Ein ausgebildeter Handwerker kann heute gut verdienen.

 

Was kann man gegen diese Unterschiedlichkeit machen?

Um entgegenzuwirken, muss gemeinsam für ein besseres Image gesorgt werden. Ebenfalls wichtig ist die kostenmäßige Gleichstellung von Ausbildung und Studium. Wenn ein Student kostenfrei die Hochschule absolvieren kann, darf nicht der Handwerker die Kosten für die Meisterprüfung selbst tragen müssen.

Das Handwerk braucht Platz für Modernisierungen und Neuansiedlungen. In Erlangen fehlen die Grundstücke – und die Ablehnung eines G6 in Tennenlohe oder die Proteste in Frauenaurach geben wenig Anlass zu Optimismus. Müssen deshalb potente Betriebe die Stadt verlassen?

Leider ist es so, wie in der Frage ausgedrückt:

Auch in Erlangen:

© Harald Sippel

Der größere Teil der Bevölkerung wünscht keine Gewerbezuwachsflächen und genau deshalb müssen hier Politik und Verbände die Notwendigkeit des Bedarfs an Gewerbegrundstücken und die entstehenden Vorteile den Bürgern erklären. Denn es ist sicher, dass Betriebe, wenn sie langfristig bestehen wollen, Umstrukturierungsmaßnahmen ergreifen müssen. Dies gilt auch bei Betriebsvergrößerungen, bei denen in der Regel Betriebserneuerungen bzw. Neubauten erforderlich sind. Diese sind unabdingbar für die Sicherung der Gewerbebetriebe einer Stadt und wirken einer Abwanderung entgegen.

Die Parkplatznot in Erlangen wird immer gravierender, das Einbahnstraßen-System zwingt zu langen Wegen, Straßensperren drohen. Kann ein Verkehrsgesamtkonzept die Lösung sein?

Hier wäre es wünschenswert, wenn das Verkehrsgesamtkonzept den Handel, das Handwerk und das Gewerbe mitberücksichtigt, damit es für Erlangen eine Verbesserung bringt. Wir vom Handwerk wissen, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist und es gilt, den Bürger mitzunehmen und die Umweltbelange zu berücksichtigen. Ich persönlich vermisse bisher den großen Durchbruch. Das Handwerk hat bereits vor acht Jahren vorgeschlagen, die StUB in einer vorerst kleineren Lösung zu realisieren. Bei diesem Ansatz wäre die Schienenanbindung von Nürnberg nach Erlangen-Süd verlaufen und von dort weiter mit Bussen. In einem zweiten Schritt hätte man sich Gedanken um den weiteren Streckenverlauf machen können.

Apropos Stadt-Umland-Bahn: Sie haben als Kreishandwerksmeister stets die Finanzen der Stadt im Auge gehabt, haben vor einer übermäßigen Belastung des Haushalts gewarnt. Sind Ihre Sorgen gerade mit Blick auf die Zukunftsausgaben in dreistelliger Millionenhöhe für die Stadt-Umland-Bahn noch größer geworden?

Das Handwerk erwartet, dass die Stadt die Finanzen immer im Blick hat und keine übergroßen Belastungen entstehen. In den letzten Jahren habe ich festgestellt, dass dies in Erlangen ordnungsgemäß funktioniert. Schade ist nur, dass uns keine großen Würfe, wie z. B. eine Sporthalle, die den Anforderungen der Handballbundesliga genügt, geglückt ist. Die Sorgen über die Zukunft der Kosten für die StUB sind vorhanden. Ich hoffe jedoch, dass die Stadt diese nicht nur bis zur Fertigstellung kalkuliert, sondern auch die Folge- bzw. Betriebskosten eingeplant hat.

Schwarzarbeit, Integration von Flüchtlingen, die ungewisse Zukunft der Dieselmotoren, fehlende Deponieflächen, steigende Lohnnebenkosten – es scheint, Herr Beck, das Handwerk wird mit seinen Problemen von der Politik allein gelassen. Fehlt die Lobby?

Das Thema Integration ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Wenn unser Land Flüchtlinge aufnimmt, muss es klare Pflichten geben festzustellen, wer eine Bleibeperspektive hat. Wenn diese vorhanden ist, sollte der Staat Regeln für die Einstellungen vereinfachen, damit Flüchtlinge mit Bleiberecht einen Arbeitsplatz annehmen können. Es wird zwar viel getan, aber die aktuellen Regelungen geben den Unternehmen zu wenig Planungssicherheit. Schwarzarbeit spielt aktuell im Handwerk dagegen keine allzu große Rolle mehr.

Und die übrigen Themen?

Wir erwarten von der Politik klare Aussagen zum Thema Diesel, denn das Handwerk benötigt Baumaschinen oder Lkw, die alle mit Diesel betrieben werden. Ein Verbot ohne Alternativen bringt keinem etwas. Des Weiteren fehlen in der Region Deponieflächen, gerade im Hinblick der boomenden Baubranche. So sind viele Bauunternehmen gezwungen, für die Entsorgung des Aushubs weite Strecken zurückzulegen und die Umwelt wird belastet.

Die Lohnnebenkosten waren schon bei Ihren Vorgängern Erich Mayer und Reinhard Daeschler ein Thema.

Seit Beginn meiner Amtszeit vor knapp 30 Jahren – zuerst als stellvertretender, später als Kreishandwerksmeister – wird das Thema "steigende Lohnkosten" von der Politik nicht gehört. War ein Mitarbeiter vor 15, 20 bzw. 25 Jahren im Handwerk beschäftigt, musste er das Wort Progression nicht kennen, weil der durchschnittliche Handwerker mit seiner Lohnsumme die Progressionsstufen nicht erreichte. Heute ist es so, dass nahezu jeder Handwerker mit seiner Lohnsumme schon in die Progression der Lohnsteuer fällt. Ich finde, der Staat sollte den Bürgern das Geld in der Tasche lassen. Im Einzelfall und im Ganzen weiß der Bürger meist besser als der Staat, wie er mit seinem Geld umzugehen hat. Ich persönlich bin von der Politik enttäuscht, da zugelassen wird, dass sich der Staat Jahr für Jahr ein größeres Kuchenstück der Lohnsumme nimmt. Es muss bei der Lohnsteuer eine Indexierung kommen, damit die Bürger nicht immer stärker belastet werden.

Sie haben Ihr Ehrenamt – freilich neben der Verantwortung für einen Großbetrieb – mit viel Engagement betrieben. Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Ich habe dieses Ehrenamt gerne ausgeübt und es nicht nur als Verpflichtung, sondern auch als Aufgabe gesehen. Gerade als Kreishandwerksmeister kann ich etwas bewegen und erreichen. Es ist wichtig, sich in seinem Lebensumfeld zu engagieren. Nach dieser langen Amtszeit als Kreishandwerksmeister werden durch den Wechsel an der Spitze sicherlich neue Ideen und frischer Wind in das Amt einziehen. Ich finde es außerdem wichtig, dass man auch von seinem Amt loslassen kann. Bei meinem Nachfolger bedanke ich mich daher ganz herzlich, dass er das nicht ganz einfache, aber dennoch schöne Amt übernimmt und wünsche ihm viel Erfolg und Freude.

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