Aufwühlende Schubert-Interpretation in Neunkirchen

16.7.2014, 19:12 Uhr
Aufwühlende Schubert-Interpretation in Neunkirchen

© Udo Güldner

Martin Funda (1. Violine), Johanna Staemmler (2. Violine), Teresa Schwamm (Viola) und Peter-Philipp Staemmler (Violoncello) hatten mit Smetanas „Aus meinem Leben“ und Schuberts G-Dur-Streichquartett zwei romantische, schwer verdauliche Leckerbissen mitgebracht.

Es ist nicht ganz einfach, Schuberts monumentalem Streichquartett G-Dur zu folgen. Was nicht nur an der sinfonischen Länge und Orchestrierung liegen dürfte. Sondern auch an der in keinem Satz abnehmenden (An-)Spannung, die das Armida-Quartett mit interpretatorischer Unerbittlichkeit exerziert. In einem aufgewühlten Meer der Emotionen wagt alleine die erste Geige einen sanft-verletzlichen Ausritt.

Experimente ausgeweitet

Schubert hat zwei Jahre vor seinem Tod seine Form- und Klangexperimente auch auf das Streichquartett ausgeweitet und dabei auch etwas von der Stimmung der „Winterreise“ einfließen lassen, die parallel dazu entstanden ist.

Ein Glück, dass die vier Musiker auch den lyrischen Schubert mit sanfter Hand führen können. Doch bald hat das moll-Dämonische, das Gegensätzliche, wieder die Gewalt über die Saiten, die mit heftigen Tremoli eine düstere Spannung und eine fast orchestrale Fülle erzeugen. Nur vereinzelt scheint die erste Violine fast verzweifelt dagegen anzuschreien. Dynamische Ausbrüche und Entladungen lassen den Zuhörer atemlos zurück. Und doch klingt immer wieder auch der jugendliche Überschwang heraus, den das Armida-Quartett mit umwerfender Vitalität einzufangen weiß.

Wer fast eine Stunde den in Tönen gefassten Schubertschen Variationen des Scheiterns, der Trostlosigkeit, der Erschütterung wie gebannt gelauscht hat, den trifft das Ende mit elementarer Wucht. Ein Spätwerk des erst 29-Jährigen, das den emotionalen Ausnahmezustand in radikale Form und schroffen Klang fasst.

Etwas leichtere Kost ist hingegen „Aus meinem Leben“. Der kammermusikalische Rückblick des Friedrich Smetana, der sich als Erwachsener aus nationalistischen Gründen die tschechische Form Bedrich zulegte. Smetana schrieb es 1876 als 52-Jähriger und nach zweijähriger Schaffenspause. Um den privaten Charakter zu betonen, brachte er es als Streichquartett, sein erstes und fast sein einziges übrigens, zu Papier. Er litt, wie zuvor bereits Beethoven, an zunehmender Ertaubung und konnte nur in Etappen an der Partitur arbeiten.

Das Armida-Quartett wagt einen lebhaften, dennoch präzisen und an Nuancen reichen Zugriff auf den jugendlichen ersten Satz, der von Sehnsucht getrieben auf das unvermeidliche Ende zusteuert, einen lange gespielten Ton, der als erstes Anzeichen der Taubheit gedeutet werden kann. Die spritzige Quasi-Polka des zweiten Satzes, ihre tänzerischen Figuren wirbeln durch den Konzertsaal. Der ersten Liebe nähert sich Smetana, freilich aus der Erfahrung des Alters heraus, mit sanfter Liebkosung, berührenden Tönen und bald schon schwelgerischen Gefühlen. Zwischen melancholischer Wehmut und orgiastischer Freude. Hörbar für andere wird Smetanas Taubheit im Finalsatz aus „Z meho zivota“, als die gerade noch jubelnden Klänge jäh abbrechen und nur noch ein fast pfeifender Ton in der ersten Geige das Ende nicht nur des in den letzten Takten noch resignativen Streichquartetts ankündigt.

Weil die Zuhörer vom intensiven Spiel des Armida-Quartetts ergriffen sind, folgt ein wahrer Sturm der Begeisterung.

Am 13. September ist um 19.30 Uhr Roman Emilius (Regensburg) zu Gast. Er spielt auf der Steinmeyer-Orgel in der St.-Michael- Kirche Bach, Mozart und Reger. Karten und Infos bei Peter Lichtenberger (0 91 34/18 37) und im Internet unter

www.neunkirchener-konzerte.de

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