Autoren geben Auskunft

30.8.2010, 00:00 Uhr
Autoren  geben  Auskunft

Gut, dass der deutsche Literaturbetrieb – als Tollhaus und mitunter gefährliches Terrain – seinen Garten zum Entspannen hat. Der Garten heißt Poetenfest und macht, für ein paar Tage im Jahr, Erlangen zum Kurort: für Autoren, die dort ihre neuen Bücher vorstellen und dabei, in paradiesisch grüner Kulisse, ganz sie selbst sein können. Und dann – das Publikum kommt auch deswegen – entsprechend Selbstauskünfte geben.

Autoren  geben  Auskunft

© Harald Sippel

Deshalb von Norbert Gstrein gleich „Die ganze Wahrheit“ zu erwarten, wäre freilich zu viel. Aber zu sehen, wie graziös er sich windet, wie er sich dezent am Kopf kratzt, wenn er nach dem Realitätsgehalt seines bösen Romans – über den Suhrkamp-Verlag und dessen Leiterin Ulla Berkéwicz – gefragt wird, sagt doch einiges.

Eher rührend dagegen, wenn Thomas Hettche – klein, dick und betroffen – über „Die Liebe der Väter“ spricht: jene armen (aber nun rechtlich gestärkten) Männer, die nach der Trennung von der Frau die Nähe zu ihren Kindern zu verlieren drohen. Wie er. Ein Vater hält Hettche das Buch hin, um es seinem blonden Knirps widmen zu lassen, der sich kokett hinter den Vaterbeinen versteckt – und der Autor strahlt!

Spannend wird es auch dann, wenn ein Schriftsteller – oder sein Werk – gerade für seine Wortkargheit bekannt ist. Hans Joachim Schädlich etwa, der Lakoniker aus Berlin. In wenigen Wochen wird er 75, ein nilpferdhaft ruhiger, sympathisch uneitler Mann, der sich amüsiert wundert, wenn sein ICE nach Erlangen nicht eine Stunde „Verspätung“ hat, sondern laut Bahn nur „Fahrzeitverlängerung“.

Den trockenen Humor zeigt Schädlich sogar dann, wenn er über seine schwierigen Anfänge in der DDR erzählt: die Zeit als „Staatsfeind“, weil er sein Debüt im Westen herausbrachte, als – vom eigenen Bruder – für die Stasi Bespitzelter. 1977 durfte er das Land dann verlassen.

Vielleicht muss man sich den Helden seines knappen neuen Romans „Kokoschkins Reise“ (Rowohlt, 17,95 Euro) ein bisschen wie ihn selbst vorstellen. Ein glücklicher Überlebender. Kokoschkin, 95 Jahre alt, darf als Emigrant den totalitären Systemen des letzten Jahrhunderts immer wieder entkommen – angefangen bei den Bolschewisten, die seinen Vater ermordeten. Das Buch kann – als schlichte Chronik mit viel Small-Talk – auch langweilen. Live sind Schädlichs lapidare Aussagen stets ein Genuss.

„Der Abend ist schon weit fortgeschritten“, säuselt Moderatorin Maike Albath am Ende. Darauf Schädlich: „Oh.“

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