"Banane und Glücksschiss" gegen die Nervosität

4.12.2018, 16:00 Uhr

© Foto: Harald Sippel

Vor jedem Spiel ist Julia Koß nervös. Schon am Abend vorher kann sie nicht schlafen, in der Halle klopft dann das Herz. Zur Beruhigung gibt es deshalb immer eine Banane. Und dann geht Julia Koß aufs Klo. Der "Glücksschiss", wie sie sagt, ist einer ihrer Rituale. "In meiner alten Mannschaft in Bergtheim haben wir das alle gemacht", in ihrer neuen Mannschaft, beim HC Erlangen, hat sie es beibehalten.

Dass die 22-Jährige das so frei erzählt, beweist schon, was sie auch über sich selbst sagt: "Ich bin ein Spaßvogel." Vielleicht ist Julia Koß aber auch einfach nur ehrlich. Denn Nervosität, das kennt natürlich jeder Sportler — ob Profi oder Amateur. Geschadet haben die Rituale diesmal jedenfalls nicht. Am Samstagabend haben die Erlanger Handballerinnen die SG Mintraching/Neutraubling mit einem 29.14 (17:8) abgefertigt. "Für mich", sagt Koß, "hat es sich nie so angefühlt, als hätte der Gegner eine Chance".

Von der ersten bis zur letzten Minute "haben wir unser Potenzial abgerufen". Endlich mal. "Wir hatten auch viele Spiele, in denen wir das nicht geschafft haben", sagt Koß. Gegen die Oberpfälzerinnen aber hat "der Tempogegenstoß von der ersten Minute an gut geklappt", zu keiner Zeit waren die Gäste auch nur dran am Ausgleich. Für Erlangen war es der sechste Sieg im zehnten Spiel. Eine ordentliche Bilanz. Gegen die Top-Teams der Bayernliga aber konnte der HCE in der Hinrunde nicht gewinnen — auch wenn das Team nahe dran war.

Gleich zum Saisonstart gab es ein 27:28 beim noch immer ungeschlagenen Spitzenreiter Dachau, in Zirndorf holte der Tabellendritte zumindest ein Unentschieden (26:26). "Wir hatten einen holprigen Start", meint Koß. "Der Anfang in Dachau war gleich ein Knaller-Spiel, das die Weichen gestellt hat. Es war bitter, dass wir mit einem Tor verloren haben." Einen "Aussetzer" habe es gegeben, beim 22:55 bei der HSG Freising-Neufahrn, und dann war noch das Remis in Stadeln (22:22). "Unser Gefüge ist noch relativ jung so zusammen. Wir sind stark aufgestellt. In manchen Momenten sind wir aber zu nervös, da fehlt die letzte Abgebrühtheit", vor allem in den engen Spielen.

Auch Julia Koß hat sich erst in dieser Saison dem HC Erlangen angeschlossen, davor spielte die Rückraum-Linke beim Liga-Konkurrent HSV Bergtheim, bei dem am Samstag das nächste Auswärtsspiel ansteht. "Elmar (Ehrich, der HCE-Trainer, d. Red.) hat mich angesprochen, ob ich nicht in seine Mannschaft wechseln möchte", sagt Koß. Ihr ehemaliger Verein war mitten in einem Umbruch und auch nicht so ambitioniert wie das Erlanger Team. "Ich bin doch sehr ehrgeizig", sagt Koß. Irgendwann möchte sie aufsteigen. Dieses Ziel hat auch der HC Erlangen mit seinen Handballerinnen.

"Im Fitnessbereich sind wir die stärkste Mannschaft der Liga"

Nach zehn Spielen und 42 eigenen Treffern sagt Koß, deren Eltern in der Nähe von Aschaffenburg wohnen, über ihren Wechsel nach Erlangen: "Es war die beste Entscheidung. Die Mannschaft ist super und es hat mich auch selbst weiter gebracht." Vor allem im Fitnessbereich sei der HCE "die stärkste Mannschaft der Liga". Eine Vorbereitung mit derart detaillierten Laufplänen und Einheiten im Kraftraum hat die gebürtige Unterfränkin zuvor noch nie erlebt. Die Erfolge der harten Arbeit spürt Koß nun auch im Spiel. "Früher wurde es gegen Ende langsam hart. Jetzt kann man auch in den letzten zehn Minuten noch durchpowern. Und wenn man draußen sitzt, denkt man immer, man kann wieder rein."

Der Aufwand, den Julia Koß dafür auf sich nimmt, ist groß. Die Handballerin studiert in Würzburg Jura, arbeitet außerdem dort auch am Lehrstuhl, dreimal pro Woche fährt sie ins Training nach Erlangen, dazu kommen die Spieltage, "und ein Jura-Studium ist auch kein Selbstläufer". Aktuell aber ist sich Koß sicher, dass es sich lohnt. "In der Mannschaft entwickeln wir uns weiter, viele sagen das, die Charaktere stehen eng zusammen." Was nun noch fehlt, sei "Kopfsache". Im entscheidenden Moment in einer aufgeheizten Stimmung ruhig zu bleiben, das müssen die Erlangerinnen noch lernen.

Zu Hause jedenfalls hat der HCE bislang alle Spiele deutlich gewonnen. Vier Siege gab es mit mindestens elf Toren Vorsprung. Die Top-Teams müssen in der Rückrunde alle noch in der Hiersemannhalle ran. "Wir haben ein paar Rechnungen offen", sagt Koß, unter anderem gegen Stadeln und natürlich gegen Dachau. Die Erlangerinnen haben es also selbst in der Hand, entschieden ist nichts. "Doch egal ob wir Meister werden oder nicht, Hauptsache wir sind am Ende der Saison mit unserer Leistung zufrieden." Bekommen die Handballerinnen die Nervosität in den Griff, scheint alles möglich. Die passenden Rituale dazu vor dem Spiel hat Julia Koß bereits.

HC Erlangen: Vierheilig, Frost; Peters, Bissel 4, Peschko 6/2, Koß 5/2, Stock, Hofmann 4, Schmidt 1, Reuthal 3, Heid 1, Schopka 2, Pack 3.

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