Bergkirchweih läuft zu großer Form auf

8.6.2014, 12:15 Uhr
Annette Stahlmann, Chefin bei Hax'n-Liebermann, schneidet mit Courage die Torte an, die - eine von mehreren - die Grundlage für einen ausgedehnten Kaffee-Plausch unter Geschlechtsgenossinnen ist.

© Harald Sippel Annette Stahlmann, Chefin bei Hax'n-Liebermann, schneidet mit Courage die Torte an, die - eine von mehreren - die Grundlage für einen ausgedehnten Kaffee-Plausch unter Geschlechtsgenossinnen ist.

Tusch zum Berg-Geburtstag: Seit 80 Jahren verköstigt die „Rollende Metzgerei“ am Bergaufgang Hungrige mit Bratwürsten, Schaschlik und Fischbrötchen. Anna und Georg Bauer starteten anno 1934 auf dem Berg, waren zuerst An den Kellern zu Hause und zogen später in die Bergstraße, wo sie seit Jahrzehnten nicht mehr wegzudenken sind. Klassiker im Repertoire ist und bleibt die Bratwurst. Beigabe schlechthin ist in 90 Prozent der Fälle der Senf, nur Kinder tendieren zum geliebten Ketchup. „Früher“, so erinnert sich der Chef Manfred Bauer, „gab es noch keinen Senftopf mit Pump-Mechanismus. Da lag einfach ein Löffel im Senf. Mich hat es immer zur Weißglut gebracht, wenn die Studenten den Löffel einfach abgeschleckt und wieder zurückgelegt haben!“

Diesmal aber heißt es: Alle feiern mit! Aus Anlass des Jubiläums gibt es einen großen Sonderverkauf mit Nostalgiepreis: Am Dienstag, 10. Juni, kostet bis 18 Uhr jedes Paar Bratwürste frisch vom Rost nur einen  Euro.

Ein gutes Beispiel für gelungene Integration lieferte zum Auftakt der Bergkirchweih Stadtrat José Luis Ortega Lleras. Der SPD-Politiker mit kolumbianischen Wurzeln und frühere Vorsitzende des Erlanger Ausländer- und Integrationsbeirates erschien zum Anstich mit Walkjanker, Lederhosen und Haferlschuhen. Ein rotes Halstuch und ein weißes Hemd (die fränkischen Landesfarben?) komplettierten die Klamotte. Die Kleidungsstücke, die er gerne trägt, hat er nach eigener Aussage bereits seit Jahren in seinem Besitz.

Die Letzten werden die Ersten sein: Traditionell lädt die Kulmbacher Mönchshof-Bräu kurz vor dem Anstich zur Bierprobe. Der Vorteil: Hier können die geladenen Gäste schon vor dem offiziellen Bergkirchweih-Start ihre erste Maß in die Höhe stemmen. Und auch die Kulmbacher, die mit einer Delegation in Brauerei-Trachtenhemden aus Oberfranken angereist waren, müssen sich mit ihrem extra für die fünfte Erlanger Jahreszeit eingebrauten Festbier nicht verstecken.

Ausgeschenkt wird das Bier - samt einiger (auch alkoholfreier) Alternativen - im Birkners Keller. Die Festwirte dort haben den Slogan „Hier ist der Berg noch so wie er sein soll“ ausgegeben. Trotz Stimmungsmusik wird hier bewusst weniger Ballermann-Atmosphäre als in anderen Berg-Bereichen erzeugt. Festwirt Till Stürmer: „Bei uns soll man nach dem Motto ,gemütlich am Tage, Stimmung am Abend‘ gepflegt feiern können.“

Erlangens neuer Oberbürgermeister hat nicht nur sein erstes Bergkirchweih-Bierfass angestochen, er hat damit auch Wiedergutmachung betrieben. Nein, nicht weil er vorher schon einige Fässer unter weit mehr Mühe geöffnet hatte, sondern weil er – Tusch & Applaus! – pünktlich war. Besser noch: Er war überpünktlich, um sich quasi für alle die Verspätungen zu entschuldigen, die er in den letzten Wochen bei halb versemmmelten Terminen verursacht hatte.

Es ging schon so weit, dass die Erlanger Vereinigung der Beckstein-Geschädigten (EVBG) die Maßeinheit „einen Beckstein“ (20 Minuten) durch „einen Janik“ ersetzen wollte. Der ehemalige CSU-Innenminister hatte nämlich in seiner aktiven Zeit ganze Festveranstaltungen in den Wahnsinn getrieben, weil er notorisch unpünktlich kam – eben besagte 20 Minuten resp. „einen Beckstein“.

Janik nun war unzeitgemäß überpünktlich und machte sich damit einer speziellen Form der ejaculatio praecox schuldig, eines vorzeitigen Bierergusses: Es war nämlich noch einige Minuten vor (!) 17 Uhr, als er das Fass (durchaus professionell) anstach, danach aber außer einem „Das war’s!“ nichts mehr zu sagen hatte. Sein Vorgänger, nach dem Bier- auch für ergiebigen Redefluss bekannt, wünschte immerhin „eine schöne fünfte Jahreszeit“. Ohne Janik zu nahe treten zu wollen: So viel Zeit sollte sein für einen, der es in Sachen Pünktlichkeit gerne mal locker angehen lässt.

Auch im fünften Jahr seines Bestehens – schon ein kleines Jubiläum – hat der Schaustellerinnen-Stammtisch beim Hax’n-Liebermann nichts von seiner Attraktivität (und der Attraktivität seiner Besucherinnen) eingebüßt: Auch in diesem Jahr hatten sich wieder rund 30 Frauen aus der Schaustellerei und verwandten Berufen wie der Politik oder der Verwaltung eingefunden. Gastgeberin Annette Stahlmann musste diesmal genau hinschauen, gab es doch eine ganze Reihe neuer Gesichter, darunter Erlangens neue „First Lady“ Silvia Janik, und die neue Bürgermeisterin Susanne Lender-Cassens, zu registrieren.

Für ihre Stadtratsfraktionen waren Birgit Hartwig (SPD) und Birgit Marenbach (Grüne) gekommen, die CSU war mit Birgitt Aßmus und Gabriele Kopper gleich doppelt vertreten. Die Verwaltung wurde durch Ordnungsreferentin Marlene Wüstner repräsentiert. Für die Gastgeberin ist der Stammtisch eine gute Gelegenheit, abseits der oft allzu dominant auftretenden Männer zu ratschen und Erfahrungen auszutauschen. Hinter vorgehaltener Hand wird übrigens das Motto ausgegeben: Die eigentliche Macht am Berg, das sind wir!

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