Der "Nacht der Schande" in Erlangen gedacht

12.11.2018, 15:00 Uhr
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© Harald Sippel

"Es war kein wild gewordener Mob, der durch die Straßen zog", erinnerte Oberbürgermeister Florian Janik an die Ereignisse vom 9. November 1938 in Erlangen, "es war staatlich geplanter Terror, der sich der Politiker und der Polizei bediente." Das Ausmaß der Übergriffe und die verbrecherische Triebkraft seien bis heute schier unfassbar und kein Erlanger dieser Zeit habe von sich sagen können, er habe davon nichts mitbekommen.

Die barbarischen Ereignisse hätten Täter und Augenzeugen gehabt – und bis heute sei das, was sich in dieser Nacht Bahn brach, unfassbar. Spätestens in dieser Nacht sei deutlich geworden, dass die lange schon vorher ausgebrachte Saat des Antisemitismus aufgegangen sei – "Erlangen war eine braune Stadt", wie er die Stimmen und die Stimmung in der Stadt zusammenfasste. Das heutige Stadtmotto "Offen aus Tradition" habe weder zur Zeit der Einwanderung der Hugenotten gestimmt, und erst recht nicht in der NS-Zeit – und auch heute müsse man unter dem Eindruck von neuem Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus das Motto als Auftrag sehen, als dauerhafte Mahnung.

Einen "Tag der Schande" sollte man den 9. November 1939 besser nennen, sagte der Pfarrer der Hugenotten-Gemeinde, Johannes Mann, in Anlehnung an ein Wort von Stadtarchivar Andreas Jakob, der die Ereignisse dieser Nacht in einer ausführliche Recherche dokumentiert hat ("Die Nacht, in der die Judenaktion stattfand"). In dieser Nacht sei auch der Erlanger Betraum geschändet worden, habe der Mob Wohnungen geplündert – "und die Kirchen haben dazu geschwiegen", wie er

anmerkte. Selbst namhafte Kirchenvertreter hätten die Übergriffe gegen die Juden gutgeheißen und sich auf einen Mann berufen, "der als Freund der Juden begann und . . . der größte Antisemit seiner Zeit geworden ist, der Warner seines Volks wider die Juden": Martin Luther. Es habe aber auch vereinzelte Stimmen gegeben, die Widerstand predigten, und es habe Fälle von Zivilcourage gegeben.

Heute werde es wieder hoffähig, Juden offen anzupöbeln, das Unrecht werde relativiert, die Sprache verrohe. Deshalb sei aller Deutschen Pflicht, die hier wieder heimischen Juden zu schützen und dem antisemitischen und menschenverachtenden Mob nicht die Straße zu überlassen.

Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Ester Limburg-Klaus, beklagte zunehmende An- und Übergriffe und macht einen zunehmenden Antisemitismus und Antizionismus aus, der sich auch darin ausdrücke, dass man dem Staat Israel sein Existenzrecht abspreche.

Anrührendes Gedicht

Die Leiden der Verschleppten, Misshandelten und Ermordeten ließ sie in einer Schilderung von Schicksalen Litauer Familien wiederkehren, in einem anrührenden Gedicht von Inge Auerbacher ließ sie ein kleines Mädchen trotz drohenden Unheils Stolz auf ihren (Juden-) Stern sein.

Mit einem Totengebet, dem Kaddisch, auf Hebräisch vorgetragen von Yonathan Amrani, endete die Feier, in der Schülerinnen und Schüler der Hermann-Hedenus-Schule die Namen der getöteten Juden aus Erlangen vorgetragen hatten. Der jüdische Glaube beruft sich dabei auf den Propheten Jesaja: "Ich will ihnen in meinem Hause . . . einen Namen geben, . . . einen ewigen Namen will ich ihnen geben, der nicht vergehen soll."

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