Der Sucht in Eckental begegnen

14.3.2015, 15:54 Uhr
Der Sucht in Eckental  begegnen

© Foto: Hans von Draminski

„Überlegen Sie mal, ob Sie jemanden kennen, der ein Suchtproblem hat“, schlägt Ottmar Stadtmüller ein Gedankenspiel vor. Obwohl fast jeder diese Frage bejahen müsse, sei Sucht nach wie vor ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft, sagt der Leiter der Integrierten Beratungsstelle in Erlangen, zu der die Drogen- und Suchtberatungsstelle gehört. Stadtmüller fordert deshalb: „Sucht muss enttabuisiert werden. Sie ist eine normale Krankheit, die gut zu behandeln ist – insbesondere wenn man frühzeitig damit beginnt.“

Die USA seien Deutschland in puncto Entstigmatisierung weit voraus – nicht zuletzt aufgrund des großen Engagements von Betty Ford für Suchtkranke. Die frühere First Lady hatte sich aufgrund des Drucks ihrer Familie Ende der 1970er Jahre in eine Entzugsklinik begeben und später öffentlich zu ihrer Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit bekannt. Der Fall zeigt ferner, dass es mit der Freiwilligkeit einer Therapie oder auch nur Beratung oft nicht allzu weit her ist. In die Erlanger Beratungsstelle kämen viele „Auflage-Klienten“, die von einem Gericht, der Schule oder ihrem Arbeitgeber zu einem Besuch verdonnert worden seien, berichtet Stadtmüller.

Die vom Bezirk Mittelfranken finanzierte Beratungsstelle, die auch für den Landkreis und damit für 240 000 Einwohner zuständig ist, informiert über Behandlungsmöglichkeiten und vermittelt Betroffene in Suchtkliniken. „Eine unserer Hauptaufgaben ist es, entsprechende Berichte zu schreiben, die die Voraussetzung für eine Aufnahme dort sind“, schildert Diplom-Psychologin Doris Lingley. „Denn eine stationäre Langzeittherapie ist das Mittel der Wahl bei Suchterkrankungen.“ Nach erfolgreicher Behandlung bieten die derzeit zehn Fachkräfte auch verschiedene Nachsorgeangebote an, etwa in einer therapeutischen Wohngruppe.

„Unsere typischen Kunden sind nicht die Arbeitslosen, die unter der Brücke leben“, räumt die Diplom-Psychologin mit einem verbreiteten Klischee auf. „Es sind oft ganz unauffällige Menschen, die eine Familie und ein Suchtproblem haben.“ Das spiegelt die Statistik der Beratungsstelle wider: Demnach sind über 40 Prozent der Klienten Angestellte, Arbeiter und Beamte. Schüler und Studenten machen 15 Prozent aus, fünf Prozent sind Alg I-Empfänger und knapp 18 Prozent Alg II-Empfänger. Ob die Arbeitslosigkeit die Sucht bedingt habe oder umgekehrt, lasse sich aus den Zahlen nicht ersehen, sagt sie.

Männer um die 40

Das Angebot der Beratungsstelle nutzten Menschen jeder Altersklasse, wenngleich das Gros (28 Prozent) 35- bis 49-Jährige seien. In sechs von zehn Fällen führe ein Alkoholproblem Betroffene oder jemanden aus deren Umfeld in die Beratungsstelle. In 13 Prozent gehe es um Cannabis, in elf Prozent um Stimulanzien, wobei hier besonders Amphetamine und die Modedroge Crystal Meth auf dem Vormarsch seien, analysiert die Suchttherapeutin.

Ebenfalls gestiegen ist der Anteil der Beratungen zum Thema Glücks- spiel, um das sich mittlerweile knapp neun Prozent der Fälle drehten. Dies sei der deutlich gewachsenen Zahl von Spielhallen geschuldet, so die Expertin. Generell stelle sich die Sucht als eher männliches Problem dar: In 637 der insgesamt 992 Fälle, die im vergangenen Jahr die Beratungsstelle beschäftigten, ging es um einen Abhängigen.

In Erstgesprächen stehe oft die Frage im Mittelpunkt, ob bei den Betroffenen noch ein Missbrauch oder schon eine Suchterkrankung vorliege. Eltern suchten meistens erst relativ spät Rat, beispielsweise wenn ihre Kinder den Computer in ihrem Zimmer nicht mehr verließen und nicht mehr zum Essen kämen. Dabei seien PC- und Internetabhängigkeit noch nicht als Suchterkrankung anerkannt und würden lediglich als problematischer Gebrauch eingestuft, berichtet Lingley.

Erfolgreicher geworden

„Leider kommen wir häufig erst ins Spiel, wenn schon sehr viel passiert ist“, konstatiert die Psychologin. Ein Stück weit wirkten dem die Jugendsozialarbeiter an Schulen entgegen, die oft lange vor den Erziehungsberechtigten aktiv würden, merkt Stadtmüller an. Überhaupt seien die Erfolge der Drogen- und Suchtberatung in den letzten Jahren gestiegen, weil insgesamt früher agiert werde. Dennoch erlebe die Beratungsstelle immer wieder den Tod einzelner Klienten, insbesondere von alkoholkranken Frauen.

Mit der neuen kostenlosen Außensprechstunde in Eckental will sich die Beratungsstelle gemeindenäher aufstellen. Im westlichen Landkreis gibt es bereits seit 2011 ein entsprechendes Angebot in Höchstadt. Die Räume in Eschenau stellt die Gemeinde zur Verfügung, berichtet Bürgermeisterin Ilse Dölle und sieht die Sprechstunde als weiteren Baustein im Präventions- und Gesundheitskonzept der Kommune. Mit der Verringerung des räumlichen Abstands zu potenziell Ratsuchenden ist ferner die Hoffnung verbunden, dass es für Betroffene so leichter wird, eine ohnehin hochschwellige Einrichtung wie eine Beratungsstelle aufzusuchen.

Um das kostenlose Angebot
der städtischen Drogen- und Suchtberatung zu nutzen, muss vorher ein Termin unter Telefon (0 91 31) 86 22 95 oder unter E-mail: drogenberatung@stadt.erlangen.de vereinbart werden.

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