Die Große Flut 2007: Interview mit Alt-Landrat Irlinger

22.7.2017, 14:45 Uhr
Die Große Flut 2007: Interview mit Alt-Landrat Irlinger

© Klaus-Dieter Schreiter

Herr Irlinger, erinnern Sie sich noch, wo Sie am Abend des 21. Juli 2007 waren?

Eberhard Irlinger: Ich befand mich auf einem Fest in Höchstadt, wo mich sehr spät am Abend die Abteilungsleiterin Öffentliche Sicherheit anrief und über die Lage informierte. Ich bin daraufhin sofort nach Erlangen ins Landratsamt gefahren, um mir selbst ein Bild zu machen.

Können Sie sich noch erinnern, was Sie dachten als Sie realisiert haben, dass hier etwas ganz Dramatisches passiert?

Eberhard Irlinger: Das war am Anfang ja noch nicht so eindeutig. Als dann aber immer mehr Anrufe im Landratsamt eingingen, wurde schnell klar, dass hier etwas ganz Ungewöhnliches passiert. Daraufhin habe ich den Katastrophenfall ausgerufen, bei dem zum Beispiel zusätzlich die Bundeswehr zum Einsatz kommen kann.

 

Waren Sie selbst oder Freunde und Bekannte von Ihnen betroffen?

Eberhard Irlinger: Ich selbst und meine Familie waren nicht betroffen. Damals wohnte ich ja noch in Hemhofen, wo man überhaupt nichts von dem Sturzregen bemerkte. Der Sturzregen war sehr eng auf das Gebiet Langensendelbach, Marloffstein, Baiersdorf, Igelsdorf und Teile Erlangens begrenzt und vielleicht auch deshalb so heftig, weil auf eine relativ kleine Fläche unglaublich viel Wasser in kurzer Zeit niederregnete.

Welcher Moment oder welche Situation ist Ihnen in Erinnerung, die Sie besonders berührt hat? 

Eberhard Irlinger: Die Nacht selbst war vor allem dadurch geprägt, dass wir versuchten, alles zu regeln. Von überall her kamen Rufe nach Einsatzkräften, Material und vieles mehr. Das alles musste organisiert und an die richtigen Stellen gebracht werden. Wir mussten in der Nacht einfach funktionieren. Berührt war ich erst als ich am Morgen die enormen Schäden sah. Berührt hat mich dabei vor allem die Hilfsbereitschaft der Einsatzkräfte, die manchmal 48 Stunden im Stück im Einsatz waren und versuchten, das Nötigste zu tun, um den Menschen, die zum Teil große Schäden zu beklagen hatten, zu helfen.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen Musikinstrumentenhersteller, der Zithern baute — ich spiele ja selbst Zither — , dessen Werkstatt stand komplett unter Wasser. Er verlor in einer Nacht alles, was er bis zu diesem Zeitpunkt hergestellt hatte.

Gehen Sie seitdem mit anderen Augen durchs Leben? 

Eberhard Irlinger: Ich stamme aus der Gegend Freilassing/Laufen, wo es immer wieder zu Überschwemmungen kommt. Schon als Kinder haben wir gelernt, dass Wasser auch schlimme Folgen haben kann. Trotzdem hat sich seit der Sturzflut von 2007 bei mir etwas verändert. Ich fühle noch intensiver mit den Menschen, die von einem Hochwasser betroffen sind. Auf der anderen Seite habe ich aber auch gesehen und erlebt, wie viel Hilfsbereitschaft plötzlich da ist, wenn Menschen in Not und verzweifelt sind.

 

Die Landespolitik, die damaligen Staatsminister Beckstein und Schnappauf besuchten ja das Katastrophengebiet, hat den Betroffenen viel versprochen. Die ganz schnelle Hilfe gab’s aber aus München nicht, oder?

Eberhard Irlinger: Nein. Das hat auch viele Menschen enttäuscht. Ich habe daraufhin einen Spendenaufruf gestartet, der sehr erfolgreich war.

 Immerhin konnten wir so den Betroffenen schnell und unbürokratisch helfen.

 

Wenn Sie sich noch einmal zurückerinnern: War dass das schlimmste Ereignis während Ihrer Amtszeit?

Eberhard Irlinger: Ja, in meiner Verantwortung war das das Schlimmste, was ich je erleben musste. Ich durfte aber auch erleben, wie hilfsbereit Menschen sind. Dafür bin ich dankbar.

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