Die Wall-Street liegt mitten in Erlangen

6.12.2017, 10:00 Uhr
Die Wall-Street liegt mitten in Erlangen

© Foto: Edgar Pfrogner

ERLANGEN — Seit einiger Zeit steht sie hart im Fokus. Und die Skepsis wächst. Die Aktie der Bayer AG hat sich zum Sorgenkind entwickelt. Jetzt schnell verkaufen und mit einem blauen Auge davonkommen, oder . . .? Die Mannen des Aktienclubs Erlangen (ACE) sind noch unentschieden. Die Für-und-Wider-Argumente eilen in U-Form hin und zurück. Alle Augen richten sich auf den "Kümmerer". Der weiß Genaueres, weiß von einer Fusion und von einer Besserung, die dann zu erwarten ist. Er empfiehlt: "Nicht verkaufen!". Ein klares Wort, das Zustimmung erntet. "Du bist der Pate, wir hören auf dich", sagt Michael Link, Vorsitzender des ACE. Im Protokoll wird festgehalten: "Aktie wird vorerst nicht verkauft". So beschlossen. Nächster Punkt der Tagesordnung.

Vor 18 Jahren hat man sich gefunden – gestresste Manager, Ingenieure, Führungskräfte aus allerlei Bereichen. Vereint hat sie der sicherlich wohlverdiente Ruhestand, das gesteigerte Interesse an Wirtschafts- und Börsennachrichten und nicht zuletzt das Seniorennetz Erlangen (SNE). Dort liegen die Wurzeln des ACE.

Das Seniorennetz machte seinerzeit Geld locker, um Computer anzuschaffen. Daraufhin wurde eine Arbeitsgruppe gebildet – der Vorläufer des heutigen Aktienclubs. Das war im Frühjahr 1999. 22 Senioren waren gleich mit von der Partie. Sie wollten sich weiterbilden und das "Wertpapiersparen unter Anwendung des Internets bei Investitionsentscheidungen erlernen", erläutert Michael Link.

17 jener Interessierten steckten bald die Rahmenbedingungen ab, gaben sich transparente Spielregeln und gründeten schließlich eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Innerhalb des SNE firmierte der Aktien-Club fortan als eine sogenannte "Neigungsgruppe".

Inzwischen ist der Club volljährig geworden. Die Neigungen sind geblieben. Allerdings löste man sich vor vier Jahren vom SNE und steht seither auf eigenen Beinen. Die unabhängige Gruppe trifft sich inzwischen alle 14 Tage im Medical Valley Center in der Henkestraße 91 zur "Arbeitssitzung". Dabei geht’s zwei Stunden lang zur Sache – und vor allem knietief in die Analyse.

Die derzeit 16-köpfige Gruppe geht strikt nach einer standardisierten Tagesordnung vor. Die Ouvertüre und gleichsam den Faktenteppich für die folgende Diskussion liefert Michael Link. Er gibt einen genauen Überblick über die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage, über die allgemeine wie weltweite Börsenentwicklung, über die Situation bestimmter Unternehmen samt den Meinungen diverser Analysten dazu und das mögliche Zusammenspiel all dieser Fakten — natürlich stets mit Blick auf die Entwicklung jener Aktien, die der Club im Depot hält.

Die Wall-Street liegt mitten in Erlangen

© Foto: Edgar Pfrogner

Nach diesem Check werden die einzelnen Aktien unter die Lupe genommen. 14 langfristige Papiere und 20 kurzfristige ruhen im Depot. Rund 228 000 Euro sind derzeit im Topf. Und mit einem Anteil von etwa 14 000 Euro ist jedes Mitglied mit im Spiel.

Jede Aktie wird gleichsam betreut – von einem "Kümmerer" oder auch Paten genannt. Jeder aus der Runde befasst sich demnach intensiv mit "seinem" Wertpapier, sammelt dazu Hintergrundwissen, geht ins Detail und sorgt so bei den Diskussionen für fundierte Entscheidungshilfen. Im Gespräch werden dann mögliche Risiken einer Aktie abgeschätzt oder eine lukrativ-rosige Zukunft in ihr gesehen – wie auch immer. Über Kauf, Verkauf oder das Halten eines Wertpapiers wird am Ende abgestimmt und mehrheitlich entschieden.

Das Konzept hat sich offenbar bezahlt gemacht. Denn die Ruheständler-Gruppe schaut durchaus zufrieden auf die Entwicklung ihres bunten Aktien-Mix. Die Zahlen sind jedenfalls schön schwarz. Das Einlagekapital hat sich bislang angemessen vermehrt. Und die Erfahrungen, die man bei den ACE-Zusammenkünften macht, kann jeder mit nach Hause nehmen und gut für seine privaten Investitionen nutzen.

Bei ihrem "Spiel" mit den Aktien geht es den ACE-Männern nicht allein um die schnöde Geldvermehrung. "Wir nutzen die Gruppe als Kommunikationsrunde", sagt einer. Es geht den Senioren nicht minder um einen regen Gedankenaustausch, um Beschäftigung, um intensive Kopfarbeit.

Auch die Geselligkeit kommt nicht zu kurz. Dabei wollen sie partout nicht unbedingt unter sich bleiben. "Wir könnten noch drei bis vier Mitglieder aufnehmen", sagt Michael Link. Aber mehr als 20 sollten es am Ende nicht sein.

ZInteressenten könne sich melden unter Telefon (01 51) 54 63 42 84.

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