Ein Blick in die Nano-Welt

5.5.2015, 20:30 Uhr
Ein Blick in die Nano-Welt

© Foto: Harald Sippel

Am Anfang steht die Faszination, in die Dinge hineinschauen zu können. „Als Doktorand hat mich dieses Gefühl erfasst und bis heute nicht mehr losgelassen“, sagt Erdmann Spiecker. So ähnlich ergehe es allen, die im Internet zum ersten Mal eine Weltkarte so lange vergrößern bis sie ihr eigenes Haus sehen. „Der Unterschied ist, dass wir wissen, wie Straßen und Häuser aussehen – die Nanoskala müssen wir uns erst erschließen.“ Das ist Spieckers Job.

Die Arbeitsgruppe des Professors untersucht die Eigenschaften von Materialien. „Glas ist beispielsweise ein sehr harter Werkstoff, aus dem man ganze Gebäude bauen könnte“, erklärt Spiecker. „Aber Glas ist total spröde, unter Druck verformt es sich nicht, sondern bricht.“ Schuld daran ist seine Struktur: Die Atome bilden kein regelmäßiges Muster, stattdessen liegen sie unordentlich nebeneinander. Warum das so ist, müssen die Wissenschaftler erst noch verstehen. Für ihre Arbeit hat die Universität Erlangen-Nürnberg nun einen neuen Lehrstuhl für Mikro- und Nanostrukturforschung gegründet, den Spiecker leitet. „Wenn wir wissen, wie die Herstellung die Eigenschaften eines Stoffs verändert, dann können wir das gezielt beeinflussen“, sagt er.

Nanoteilchen kennen viele aus der Werbung für ihre Pfanne. Sie versprechen, dass nichts mehr anbrennt oder verkratzt. „Erst wer genau hinsehen kann, beginnt zu verstehen“, sagt Wolfgang Peukert. Der Professor koordiniert das Exzellenzcluster „Engineering of Advanced Materials“ zur Herstellung neuer Materialien, das die Universität 2007 mit Fördergeld aus der Exzellenzinitiative gründen konnte. „Zur Förderung von international anerkannter modernster Wissenschaft und Forschung“ heißt es im Ausschreibungstext. „Wir können die Entstehung von Nanopartikeln beobachten und wie sie sich unter bestimmten Bedingungen verformen“, sagt Peukert. Man müsse sich das vorstellen wie kleine Bausteine, die dann zu funktionellen Strukturen in der Elektronik, Optik und im Leichtbau werden. Auch der Gummibärchen-Mount-Everest-Vergleich stammt von ihm.

Ziel des Clusters ist es, eine Brücke zu bauen zwischen der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung und der ingenieurwissenschaftlichen Umsetzung. Dafür arbeiten 200 Wissenschaftler aus neun Disziplinen zusammen, Angewandte Mathematik, Chemie- und Biologieingenieurwesen, Chemie, Informatik, Elektrotechnik, Materialwissenschaft, Maschinenbau, Physik und Medizin. „Die Exzellenzinitiative war bislang zu Recht auf die Forschung ausgerichtet“, sagt Peukert. „Aber auf dem Weg zu einer internationalen Spitzenuni ist erst die Hälfte geschafft.“ Das Betreuungsverhältnis für Studenten und Doktoranden müsse besser werden, damit Erkenntnisse aus der Forschung auch vermittelt werden könnten. „Es entstehen Spannungen, wenn man nur die eine Säule eines Gebäudes erhöht“, meint Peukert. „In der nächsten Runde der Initiative sollten beide Säulen, Lehre und Forschung, in Einklang gebracht werden.“

Das neue Mikroskop „Titan Themis3 300 soll die Forschung voranbringen. „Die griechische Göttin Themis konnte in die Zukunft sehen“, sagt Unipräsident Joachim Hornegger bei der Einweihung. „Auch auf der Größenskala gibt es nach unten hin noch viel zu entdecken.“ Deshalb müsse die Geräte-infrastruktur einer Universität auf dem neuesten Stand gehalten werden. Das Vorgängermodell war auf den Tag genau vor fünf Jahren eingeweiht worden. Die neue Anlage hat 3,7 Millionen Euro gekostet, bezahlt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Freistaat, weshalb auch der bayerische Staatssekretär Bernd Sibler zu Gast war.

Im „Titan“ wird eine Materialprobe mit Elektronen durchschossen. Das Besondere am Transmissionselektronenmikroskop ist die Linsenkorrektur, mit der es Atome und deren Bindungen zueinander mit einer Auflösung von 0,1 Nanometer zeigen kann. Ein menschliches Haar ist 50 000 Nanometer dick.

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