Ein Erlanger auf dem Weg zum German Bowl

24.8.2017, 10:10 Uhr
Ein Erlanger auf dem Weg zum German Bowl

© Foto: Manfred Löffler

Das Stadion der Schwäbisch Hall Unicorns ist eingerahmt von dicht bewachsenen, grünen Hügeln. Der Himmel strahlt hellblau, keine Wolke trübt das Fabel-Bild. Passend zur Wunderland-Stimmung haben die Einhörner in Grün und Weiß gerade das Derby gegen die Stuttgart Scorpions gewonnen. Mit 27:13 ließen sie dem Gegner keine Chance. Der erste Touchdown gelang bereits direkt nach dem Kick-off. Mittendrin: Christian Rückert.

"Man identifiziert sich an diesem Punkt der Saison schon sehr stark mit der Mannschaft, in der man spielt. Mir wurde sogar schon von meinen alten Teamkameraden vorgeworfen, dass ich schon nur noch eine grün-weiße Brille auf hätte. Aber das muss auch so sein, glaube ich." Dass Stuttgart am Ende keine Chance hatte, wundert den Erlanger nicht. "Wir haben eine der stärksten Defenses in der ersten Liga. Dann gewinnst du ein Spiel im Normalfall immer."

Selbst ist Rückert nicht besonders zufrieden mit seiner Leistung. "In der Offense hat der Rhythmus gefehlt, im zweiten Play habe ich mir gleich wieder am eh schon verletzten Knöchel wehgetan. Das hat die Sache nicht besser gemacht." Er sitzt auf dem sattgrünen Rasen und schnibbelt mit einer Schere an seinem dicken weißen Tape-Verband herum. Außen um den Schuh herum ist der Knöchel verbunden, unter dem Socken kommt noch eine zweite Schicht Tape hervor. Bei all der Anstrengung muss der Hüne lachen. American Football ist eben ein harter Sport.

Schwäbisch Hall hat sich bereits vor dem Derby den Meistertitel in der Süd-Liga gesichert. Mehr geht vor den Play-offs nicht mehr. Die Partien bis dahin wollen die Unicorns trotzdem ernsthaft angehen. "Der Punkt ist: Football ist ein Momentum-abhängiger Sport. Jetzt musst du schauen, dass du noch mehr ins Rollen kommst, um dann mit dem ganzen Sturm, den du aufgebaut hast, in die Quarter-Finals zu gehen." Würde man jetzt zurückschalten, "sieht es schlecht aus, wenn man auf ein gutes Nord-Team trifft."

Anfangs wusste der 31-Jährige nicht genau, was ihn erwarten würde in der ersten Liga. Mit den Nürnberg Rams stieg der 1,89 Meter große und 120 Kilogramm schwere Offensiv Liner in die zweite Liga auf. Im November wechselte er zu den Unicorns, einem der besten Teams des Landes. Ursprünglich sollte es für Rückert darum gehen, sich Spielzeit zu erarbeiten. Doch gegen Stuttgart stand er wie in den Partien zuvor in jedem Play auf dem Feld. "Unser etatmäßiger linker Tackle hat sich den Arm gebrochen."

Im normalen Leben arbeitet Christian Rückert am Juridicum der Uni in Erlangen.

Im normalen Leben arbeitet Christian Rückert am Juridicum der Uni in Erlangen. © Foto: HaraldSippel

Auch der Erlanger hat bereits eine längere Verletzungspause im Frühjahr hinter sich. Kaum war er wieder fit, fiel der Teamkollege aus. "Es hat sich gelohnt, dran zu bleiben und nicht aufzugeben. Die Philosophie bei uns ist: ,Next man up‘. Man muss einfach auf dem Niveau von vorher weiter spielen. Ein Championchip-Team muss das haben."

Jetzt spielt Doktor Christian Rückert vom Erlanger Lehrstuhl für Strafrecht um die Deutsche Meisterschaft, es geht um den Einzug in den German Bowl XXXIX. "Das ist ein absoluter Traum, gerade wenn du aus der zweiten Liga hoch kommst." Die Anfangszeit im neuen Team sei hart gewesen. "Es ist eine völlig andere Welt — von allem. Geschwindigkeit, Physis, Komplexität. Die Erwartungshaltung ist mile-high. Doch gerade ist es wie ein gelebter Traum."

Wie anders alles ist, hat Rückert schon im allerersten Training erfahren. "Der Coach hat mir direkt nach der ersten Aktion gesagt: ,Ja, es sieht gut aus, was du machst. Aber alles jetzt doppelt so schnell.‘" Wieder muss der Erlanger Jurist lachen. Denn jetzt kann er alles — doppelt so schnell.

Dafür gibt Rückert viel auf. "Ich bin an meiner absoluten Belastungsgrenze, mache nichts außer Arbeiten und Football spielen." Acht bis zehn Stunden verbringt der Erlanger auf der Autobahn, um zum Training nach Schwäbisch Hall zu fahren. An manchen Tagen geht er um 7 Uhr aus dem Haus und kommt nach Mitternacht zurück. "Man hat durchgehend Druck. Doch es lohnt sich jede Minute", sagt Rückert.

"In Schwäbisch Hall ist der Anspruch immer: German Bowl, also das Finale." Leicht wird das nicht. "Football-Deutschland entwickelt sich weiter, die Spiele sind sehr eng." Dass er selbst am 7. Oktober im Endspiel stehen könnte... "Es ist immer noch eine verrückte Fantasie. Ich kenne es aus dem Fernsehen, bin selbst als Fan nach Berlin gefahren. Irgendwann selbst dort unten zu stehen, das ist noch das Letzte, was ich gerne erreichen möchte." Mit den Unicorns ist Christian Rückert so nahe dran wie nie zuvor.

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