Ein Fremder auf meinem Sofa: Couchsurfing in Erlangen

5.9.2015, 10:00 Uhr
Ein Fremder auf meinem Sofa: Couchsurfing in Erlangen

© Foto: André De Geare

Für Gudrun Maria Dresel begann alles mit einem Problem. Vor drei Jahren musste sie in Leipzig übernachten. Ein Hotel aber konnte sich die dreifache Mutter schlichtweg nicht leisten. Eine Freundin empfahl ihr Couchsurfing, eine Internetplattform, über die man kostenlose Schlafplätze auch kurzfristig finden kann. Dresel meldete sich an — und war drei Nächte später richtig baff.

„Meine Gastgeberin hat mich super aufgenommen, mich bekocht und mir die Stadt gezeigt“, sagt die 52-Jährige. „Wir haben lange Spaziergänge gemacht und endlos gequatscht.“ Dresel hatte eine Flasche Wein als Gastgeschenk dabei. Als Gegenleistung bekam sie Gesellschaft. „Ich wollte nicht alleine in eine Pension.“

Berührungsängste, zum ersten Mal bei einer fremden Person zu übernachten, hatte die Erlangerin nicht. „Das war überhaupt nicht komisch.“ Völlig fremd sei die Gastgeberin nicht gewesen. Auf der Internetseite www.couchsurfing.com hat jeder Nutzer ein Profil, auf dem Bilder und persönliche Informationen zu lesen sind. Nach einer Übernachtung geben die Couchsurfer Referenzen ab. „Wenn jemand viele gute Einträge hat, ist das vertrauenswürdig. Man muss aber auch zwischen den Zeilen lesen.“

Gleiches gilt, wenn man einen Fremden in der eigenen Wohnung nächtigen lässt. „Ich wollte der Gemeinschaft etwas zurückgeben“, sagt Dresel. Ein Professor aus den USA hatte sich für eine Woche angekündigt. Für Couchsurfer, die meist nur ein bis zwei Nächte an einem Ort bleiben, ungewöhnlich. Während seines Aufenthaltes war er komplett ins Familienleben integriert. „Wir haben einen offenen Wohnbereich, da schläft keiner mehr auf der Couch, wenn morgens die Kinder wach sind.“

Gastgeber ist kein Touristen-Animateur

Couchsurfing bei Dresels ist also nicht etwas für Jedermann. Einmal machte die Erlangerin eine schlechte Erfahrung: „Kurzfristig habe ich eine Studentin aufgenommen. Die wollte aber wirklich nur kostenlos übernachten.“ Für Dresel allerdings gehört auch gemeinsames Zeitverbringen dazu. „Deshalb gucke ich nun, dass ich Gäste meiner Generation aufnehme.“ Ihr zweiter Tipp ist, vor der Übernachtung die zeitlichen Abläufe zu regeln, wer wie lange bleiben möchte.

Ein Fremder auf meinem Sofa: Couchsurfing in Erlangen

© F.: Linke

Katrin Geiss sieht das ähnlich: „Vorbereitung ist das wichtigste.“ Sie hat vor fünf Jahren als Couchsurferin in Barcelona angefangen. Vorab hatte die Erlangerin viele Nachrichten mit ihrem Gastgeber ausgetauscht. „Dann hatte ich das Gefühl, zu einem Freund zu kommen.“ Dabei hatte dieser klargestellt, dass er nicht auf das klassische Touristenprogramm steht.

Ähnlich macht es die 41-Jährige, wenn sie Couchsurfer empfängt. „Ich sage von Beginn an, dass ich kein Animateur bin. Ich trinke gerne Wein mit ihnen, aber man muss auch selbstständig sein.“ Tagsüber braucht die Grafikdesignerin das Wohnzimmer zudem als Arbeitsplatz.

Bislang kamen vor allem Künstler, die für Veranstaltungen wie dem Comic Salon nach Erlangen reisen. Durch Couchsurfing hat sie viele spannende Menschen kennen gelernt. Illustratoren oder Musiker, einer gab sogar ein Wohnzimmerkonzert.

Einer Erlangen-Gruppen des Portals zufolge gibt es mehr als 1000 Couchsurfer in der Hugenottenstadt. Wirklich aussagekräftig ist diese Zahl nicht. Dennoch steht fest: Es werden immer mehr. „Für Erlangen haben jedoch Geschäftsreisende besondere Bedeutung, für die entsprechende Angebote oft weniger attraktiv sind“, sagt Christofer Zwanzig, Pressesprecher der Stadt. Manche gehen eben doch lieber ins Hotel.

Katrin Geiss nicht. Sie mag die Idee von Couchsurfing. Allerdings ist die Erlangerin vorsichtiger geworden. „Seit 2011 ist Couchsurfing keine Non-Profit-Organisation mehr und hat die Geschäftsbedingungen geändert.“

Geiss befürchtet seitdem, dass mit den sensiblen Daten, die jeder Nutzer auf seinem Profil angibt, gehandelt wird. „Deshalb überlege ich, mich woanders anzumelden.“ Es gibt durchaus Alternativen (s. u.). Couchsurfing an sich aufzugeben, könnte sich Geiss hingegen nicht vorstellen. Dafür waren ihre Erfahrungen einfach zu außergewöhnlich.

Infos und Alternativen

Couchsurfing wurde als Non­-Profit-Organisation gegründet und bezeichnet sich als Gastfreundschaftsnetzwerk. Das Prinzip ist einfach: Als Nutzer kann man einen Schlafplatz anbieten oder einen suchen. Geld zu verlangen oder zu bezahlen, ist verboten. Per Bewertungsfunktion können die Gäste ihren Gastgeber bewerten. Kritik erntete die Plattform neben den sicherheitsrelevanten Bedenken — es gab Überfälle in fremden Wohnungen — an seiner zunehmenden Kommerzialisierung. Im Jahr 2011 wurden die Unternehmensstruktur zu einer GmbH umgewandelt. Alternative Portale sind zum Beispiel www.hospitalityclub.org, www.bewelcome.org oder www.globalfreeloaders.com.

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