Ein Glücksfall für Erlangen

20.12.2014, 06:00 Uhr
Ein Glücksfall für Erlangen

© Harald Sippel

Die erste Begegnung fand via Skype statt. Das dreiköpfige Team des Abenteuerspielplatzes Brucker Lache und Lisa Shkarupa sprachen am Computer miteinander – und konnten auf dem Bildschirm einen optischen Eindruck voneinander gewinnen. Die Entfernung zwischen Erlangen und der Stadt Ismajil im Süden der Ukraine schmolz sofort dahin.

Und für die Mitarbeiter des Abenteuerspielplatzes stand fest, dass die junge Frau die Nachfolgerin der damaligen „FSJlerin“ – einer Erlangerin – wird. Die Suche der Leiterin der Einrichtung, Petra Polimeno, nach einer Gastfamilie war von Erfolg gekrönt. Und auch die größte Hürde wurde bewältigt: die notwendigen Dokumente zu besorgen.

Auch Vermittlerin

Seit September ist Lisa Shkarupa nun in Erlangen, hat sich eingelebt bei ihrer Gastfamilie, die sie mit offenen Armen aufnahm, arbeitet von Dienstag bis Samstag auf dem Abenteuerspielplatz. Ihre Kollegen sagen: „Lisa ist für uns ein Glücksfall.“ Allein schon wegen ihres netten Wesens. Glücklich gefügt hat sich, dass sie, neben perfektem Deutsch, auch Russisch spricht – sie konnte als Vermittlerin auftreten, als russischsprachige Familien, die kein Deutsch können, auf den Platz kamen.

Doch die Vorteile liegen auf beiden Seiten. Die 20-Jährige sieht das Freiwillige Soziale Jahr als Chance, etwas Neues und ganz anderes zu probieren, nachdem sie ihr Deutsch- und Englischstudium als Diplom-Übersetzerin abgeschlossen hat und bevor sie sich in der Heimat einen Job sucht. Jetzt bastelt sie mit Kindern oder spielt zum Beispiel „Räuber und Gendarm“ mit ihnen. „Es ist schön, dass ich bei der Arbeit viel Zeit draußen verbringen kann“, findet sie.

Mit Kursen unterstützt

Ganz ähnlich ergeht es Francisco Ochomogo. Auch er ist mit viel Neuem konfrontiert. Der 23-Jährige hat in San Carlos Tourismus studiert. Jetzt hat er die ersten Monate auf dem Abenteuerspielplatz Taubenschlag in Büchenbach hinter sich und sagt: „Die Arbeit ist gut. Mit den Kindern lerne ich Deutsch. Und ich lerne, kreativ zu sein. Ich habe sogar meine erste Piñata gemacht.“

Seine Pappmaché-Figur ist ein Weihnachtsmann, hohl, mit rotem Mantel und roter Mütze. Die Kinder beäugen sie neugierig. Sie wissen, dass sie bei der Weihnachtsfeier die Piñata, die dann mit Süßigkeiten gefüllt ist und aufgehängt wird, mit Stöcken zerschlagen und sich ihren Inhalt einverleiben dürfen. „In fünf Sekunden ist kaputt, woran ich drei Wochen lang gearbeitet habe“, sagt Francisco, dem es sichtlich Spaß macht, diese Tradition aus seiner Heimat in Franken einführen zu können.

„Für uns in Erlangen ist es ein großer Schatz, dass jemand aus San Carlos hier ist“, sagt Tobias Ott, der sich im Bürgermeisteramt unter anderem um die Städtepartnerschaft mit der mittelamerikanischen Stadt kümmert und den 20-Jährigen gemeinsam mit dem Verein Bandena betreut. Im Rahmen des Städtepartnerschaftsprogramms hat die Stadt die Reisekosten übernommen („für einen Jugendlichen aus San Carlos unbezahlbar“, so Ott) und mit Sprachkursen unterstützt.

Bereits vorher hatte die Stadt zwei Mal „FSJler“ aus San Carlos nach Erlangen geholt, sie waren unter anderem im E-Werk eingesetzt. Momentan bemüht Ott sich, einen Stammtisch auf die Beine zu stellen, an dem sich „FSJler“ aus dem Ausland treffen und untereinander austauschen können. Zwei solcher Treffen hat es schon gegeben, weitere sollen folgen.

Doch nun steht erst einmal Weihnachten vor der Tür. Ein wenig anders als sonst wird Francisco, der privat untergebracht ist und Familienanschluss hat, in Erlangen das Weihnachtsfest feiern. Denn in Nicaragua gibt es die Geschenke um Mitternacht, alle Familienmitglieder aus Nah und Fern treffen sich, und die ganze Nacht hindurch wird gegessen, getrunken und getanzt.

In der Ukraine dagegen ist Weihnachten ein sehr ruhiger Tag – und zwar am 6. Januar. „Da besucht man seine Paten“, erklärt Lisa. In der südlichen Ukraine ist auch die Tradition, was das Essen angeht, an diesem Tag eine andere als im westlichen Landesteil:

Es gibt ein schlichtes Süßgebäck, „Kotowaj“, das dem hiesigen Osterbrot ähnelt. Die Kinder gehen von Haus zu Haus, singen Weihnachtslieder und werfen Getreide auf die Türschwellen, damit das kommende Jahr fruchtbar wird. Die Geschenke aber werden bei einem Fest am 31. Dezember überreicht.

„Ich freue mich, dass ich jetzt Weihnachten hier feiern kann“, sagt Lisa. Weihnachtsmärkte, Adventskalender und Plätzchen backen – das alles war fremd für sie. „Ein bisschen verrückt“, sagt sie und meint das gar nicht böse.

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