Ein Stück lebendige Kinokultur in Eschenau

7.7.2017, 06:00 Uhr
Ein Stück lebendige Kinokultur in Eschenau

© Foto: Udo Greiner

Eine "lebendige Kinokultur" bescheinigte der Kommunalpolitiker dem Eschenauer Unternehmen, das 1959 vom Ehepaar Hans und Erna Weber gegründet worden ist und sich als einzige Einrichtung seiner Art im Landkreis Erlangen-Höchstadt gegenüber den Multiplex-Häusern in den benachbarten Großstädten behauptet.

Es überstand auch das Kino-Sterben in den 80-er Jahren, als die Videotheken wie Pilze aus dem Boden schossen und viele Lichtspielhäuser in Supermärkte verwandelt wurden – so wie bereits 1970 das "Thalia"-Kino in Forth, 1956 ebenfalls von Weber aus dem Boden gestampft. Selbst das DVD-, das Blue-Ray- und das Internet-Zeitalter konnten dem Casino in der Eschenauer Hauptstraße 55 auf dem Gelände des ehemaligen "Matthersen-Hofes" nichts anhaben. Die Chefin Antje Bezold (Jahrgang 1963), die das Haus 1996 von ihren Eltern übernommen hat, versteht mit einer bunten Mischung aus deutschen Hits, Kinderfilmen, Blockbustern und Arthouse-Angeboten außerhalb des Mainstreams, das Casino am Leben zu halten.

Und es ist nicht leicht, den Wettbewerb zu überstehen. Jeweils 47 Prozent der Ticket-Einnahmen müssen an den Verleih überwiesen werden – bevor überhaupt daran zu denken ist, dass unter dem Strich etwas übrig bleibt. 100 000 Euro mussten investiert werden, um statt der überholten 35-mm-Rollen die Filme über Festplatten übertragen zu können. Seitdem sorgt digitale Technik für ein spürbares Qualitätsplus, im "Fluch der Karibik" kommt der Säbel von Piratenkapitän Jack Sparrow gestochen scharf dreidimensional gefährlich nahe und den Ton hört man inzwischen über Dolby Surround 7.1.

Da es die jungen Leute eher nach Nürnberg zieht, lässt Antje Bezold die von dieser Zielgruppe gern gesehenen Actionstreifen eher links liegen und konzentriert sich auf Titel, die Familien, Kinder und das anspruchsvolle Publikum ansprechen. Wobei das Einzugsgebiet mittlerweile von weit hinter Gräfenberg bis Heroldsberg und von Neunkirchen bis Lauf und Schnaittach reicht.

Antje Bezold reichert das Angebot nicht nur mit unterschiedlichsten Filmen an, sondern lässt sich immer wieder besondere Gags einfallen. So tritt schon einmal beim Kinderprogramm ein Zauberer auf oder es gibt den Erotikfilm "Fifty Shades of Grey" um Mitternacht mit Prosecco und roten Rosen vornehmlich für ein weibliches Publikum, das dann auch in speziellen Kostümen die reservierten Karten entgegen nimmt.

Als "Snow Dogs" lief, warteten echte Schlittenhunde am Eingang. Und bei "Bärenbrüder" tapste plötzlich ein riesiger "Petz" durch die Stuhlreihen. Bei "Luther" verfolgten 600 Schülerinnen und Schüler im Zwei-Stunden-Takt den Lebensweg des Reformators.

Pro Jahr sind 3000 Kinder und Jugendliche bei den seit zehn Jahren veranstalteten Schulkinowochen dabei. Nach einer Sondervorstellung zu Gunsten kriegsgeschädigter Kinder im Irak wurden die gesamten Einnahmen dem Unicef-Botschafter überreicht. Zum Musical-Film "Mademoiselle Marie" – entstanden nach den umjubelten Aufführungen auf der Freilichtbühne der Cadolzburger Burgfestspiele – kamen mehrere Schauspieler nach Eckental, um sich der Diskussion zu stellen. Die Vorführung des Films, der unter anderen das SS-Massaker 1944 im französischen Oradour aufgreift, wurde den Schulen angeboten, um den Geschichtsunterricht anzureichern.

So kann es nicht verwundern, dass das Casino in Eschenau, dessen Filmprogramm zu 60 Prozent das Gütesiegel "Prädikat" in sich vereint, immer weit vorne steht, wenn der Filmförderpreis der Bayerischen Staatsregierung vergeben wird.

Und einmal gab es sogar den Kinoprogrammpreis der Bundesregierung für die gelernte Versicherungskauffrau Antje Bezold.

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