Eine besondere Kinopremiere in Eschenau

3.12.2016, 06:00 Uhr
Eine besondere Kinopremiere in Eschenau

© Scott Johnston

Die Franken hielten sich bei diesen von Rosen, Edelweiß und vor allem Klischees überwucherten Produktionen bislang vornehm zurück, was sie keineswegs unsympathisch macht. Mit „Mademoiselle Marie“ (nicht „Die Müllerin vom Schwabachtal“) gab es nun eine Premiere in mehrfacher Hinsicht. Es handelt sich dabei nämlich nicht nur um den ersten fränkischen Heimat-, sondern gleichzeitig um den ersten gesamtbayerischen Musicalfilm.

Erstmals wurde der Film nun bei den Casino Lichtspielen in Eschenau gezeigt. Hierzu waren der Autor Fritz Stiegler sowie die Schauspieler beziehungsweise Sänger Martina und Bernd Pfister sowie Heidi und Günter Oellerich nach Eckental gereist.

Manuel, der Sohn von Kino-Betreiberin Antje Bezold, hatte schon seit Tagen intensiv den Himmel beobachtet und gehofft, dass sich die Regenwolken zur Vorführung verziehen, was man bei einem Heimatfilm schließlich erwarten kann, wenn nicht gerade Unheil im Anmarsch ist. Da nur die Darsteller im Anmarsch waren, setzte sich die milde Abendsonne durch und die Delegation aus dem Fürther Landkreis konnte mit einem laut knatternden Traktor empfangen werden.

Zum Glück gehen die Franken einen Heimatfilm anders an als die Drehbuch-Bastler aus Oberbayern, Österreich, dem Schwarzwald oder von der Lüneburger Heide. Statt Versatzstück an Versatzstück zu reihen, werden diese karikiert und Vorurteile aufgebrochen.

Unvermeidlich ist dabei auch, dass mit feiner Ironie fränkische Eigenheiten aufs Korn genommen werden. Mit jeder Menge Drive bereichern Tanz- und Gesangseinlagen das Geschehen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrt der französische Zwangsarbeiter Francois alias Manuel Unterburger lediglich kurz in seine Heimat zurück, weil ihm die hübsche fränkische Bäuerin Marie Heubeck (Romina Satiro) ziemlich den Kopf verdreht hat.

Doch Marie bleibt treu, wartet auf ihren Ehemann Hans, der in Russland verschollen ist. Nach zehn Jahren schwindet bei Marie freilich die Hoffnung auf seine Rückkehr und sie gibt dem vorsichtigen Werben von Francois nach. Wenig später erreicht Bundeskanzler Konrad Adenauer, dass Kriegsgefangene in der Sowjetunion freikommen – inklusive Hans.

Marie wird von Gewissensbissen und Konflikten geplagt, entscheidet sich schließlich für Francois und gegen Hans. Ein blütenweißes Happy End à la Heimatfilm ist das nicht.

Das Werk greift außerdem noch eine ganz andere Tragödie auf. Francois stammt nämlich aus Oradour-sûr-Glane. Hier richtete die SS 1944 ein schreckliches Massaker an. Sie trieb die Dorfbevölkerung in die Kirche und eine Scheune, schoss wahllos auf die wehrlosen Opfer und zündete zahlreiche Gebäude an. 642 Zivilisten starben.

Wie Autor Fritz Stiegler im Eschenauer Kino erläuterte, war es ihm sehr wichtig, dieses schlimme Ereignis mit einzubinden und damit einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten, was angesichts der aktuellen Flüchtlingswelle sehr wichtig sei. Erfolg hatte „Mademoiselle Marie“ zunächst als Bühnenstück bei den Cadolzburger Burgfestspielen, wo es insgesamt 14000 Zuschauer verfolgten.

Der Verein, der die Aufführungen organisiert, suchte auch den Kontakt zu den Bewohnern von Oradour-sûr-Glane. Trotz anfänglicher Skepsis, angesichts des Massenmords durch die Nazis verständlich, entstand inzwischen eine enge Beziehung zwischen den Franken und den Bürgern des so stark in Mitleidenschaft gezogenen Ortes. Die Ruinen stehen heute noch.

Stieglers Anregung, den Film Schulen anzubieten und den Geschichtsunterricht kurzzeitig ins Eschenauer Kino zu verlagern, nahm Antje Bezold gerne auf.

Die Eckentaler Bürgermeisterin Ilse Dölle ging auf die Gemeindepartnerschaft mit Ambazac ein, durch die längst ebenfalls Feind- in Freundschaften verwandelt werden konnten. Zudem schilderte sie anschaulich, wie derzeit die Flüchtlinge aus dem nahen Osten in Eckental integriert werden.

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