Er lässt alles alt aussehen: So arbeitet ein Stuckateur

17.8.2016, 15:00 Uhr
Er lässt alles alt aussehen: So arbeitet ein Stuckateur

Wenn Stefan Giering mit diesem Haus fertig ist, sieht es wieder alt aus. Schön alt. Nicht mehr kaputt alt. Die Fassade eines Jahrhunderte alten Fachwerkhauses zu renovieren und dabei den Charme zu erhalten, das ist Gierings Aufgabe. Er ist Stuckateurmeister.

Er kümmert sich nicht nur um klassischen Stuck in der Wohnung, sondern auch um den Innenausbau und Fassaden. „Stuckarbeiten sind ganz selten“, sagt Giering. In einem Neubau könne sich schließlich kaum jemand die kunstvolle Deckengestaltung leisten. Im Neunhofer Schloss hat der 37-Jährige einmal den Stuck restauriert. „Dafür braucht es ganz viel Erfahrung, das lernt man in der Ausbildung.“ Aktuell arbeitet er 100 Meter bergabwärts.

Das Schloss ist in Sichtweite, doch Augen dafür hat Giering nicht. Seine Aufmerksamkeit gilt einem Fachwerkhaus, dem Brauerei Gasthof Wiethaler. Es ist ein eindrucksvolles Fachwerkhaus. Giering nennt es „ganz schlimm bei’nander“. Und tatsächlich: Das Holz ist porös, bei der kleinsten Berührung bröckelt Putz von der Wand.

Bloß nicht zu gerade streichen

Das Haus stammt etwa aus dem Jahr 1620. „Man muss darauf achten, dass das Alte erhalten bleibt.“ Auch der neue Anstrich darf nicht zu neu aussehen. „Man darf nicht zu gerade arbeiten, mit einem gewissen Schwung. Das bringt der Beruf so mit sich.“

Vater Giering war ebenfalls Stuckateur, Sohn Stefan half an den Samstagen aus, meistens in Neunhof im Nürnberger Land, wo er aufgewachsen ist. „Man hat Neues gesehen, war nicht jeden Tag am gleichen Ort und fast immer draußen.“ 1994 begann er die Ausbildung, 2008 legte Stefan Giering, der mittlerweile mit seiner Familie in Eckental lebt, die Meisterprüfung ab und machte sich selbstständig.

„Das Schöne ist: Man sieht, was man geschaffen hat.“ Bis es bei dem Fachwerkhaus soweit ist, vergehen zwei bis drei Wochen. Er und zwei Mitarbeiter kümmern sich um die Fassade. Nachdem die Handwerker die Wände mit einem Dampfstrahler gereinigt haben, entfernen sie die alte Farbe so gut wie möglich und befestigen die Fachwerkfelder neu. Dann müssen sie noch alles verputzen und streichen.

Giering steht mehr als fünf Meter über dem Boden auf dem Gerüst. In der linken Hand hält er die Glättescheibe, auf der ein wenig Putz klebt. In der rechten Hand rotiert die Kelle. Es ist ein kratziges Geräusch, wenn der Stuckateur beide Werkzeuge aneinander reibt, um die richtige Portion Putz aufzutragen. Dann stopft er mit der grauen Masse ein winziges Loch zwischen Stein und Holzbalken. Immer wieder, bis keine Lücke mehr zu sehen ist.

Nach dem Verputzen streicht Stefan Giering zudem das Holz wieder mit brauner Farbe.

Nach dem Verputzen streicht Stefan Giering zudem das Holz wieder mit brauner Farbe.

Es ist staubig, an Gierings Waden klebt der weiße Kalk. Seine kurze Hose und seine Schuhe sind übersät mit Farbtropfen. Vom Hinknien sind die Schuhe vorne aufgerieben. Die Hände sind durch weiße dünne Handschuhe geschützt. Wenn Giering sie auszieht, erscheinen die Finger einen Tick heller als die Arme, die braun gebrannt sind vom Arbeiten unter freiem Himmel.

Von März bis Oktober haben die Stuckateure Hauptsaison, in den Wintermonaten kümmern sie sich um Innenräume. „Zuletzt haben wir auch im Januar und Februar draußen gearbeitet, bis fünf Grad ist das okay.“ Nur etwas kalt sei es an den Händen. Jetzt ist es eher zu warm. Dennoch arbeiten die Handwerker geduldig, ohne ein Detail zu übersehen. „Die Hände sind so eingespielt, mit den Werkzeugen geht das fast von alleine“, sagt Giering. Auch über die richtige Mischung des Putzes muss er nicht groß nachdenken — außer, wenn er sie mit Worten beschreiben soll. Irgendwann sagt er: „Schön cremig.“

Wichtig ist, den Putz trocknen zu lassen, ehe die nächste Schicht drüber kommt. Deshalb arbeiten sich die Handwerker an der Fassade von oben nach unten vor, mehrere Male hintereinander. Auch bei dem Material muss Giering aufpassen. „Bei einem Fachwerk darf man nicht einfach neue Farbe verwenden“, sondern etwas ohne Kunststoffzusätze. „Stuck geht sowieso nur mit Kalkfarben.“ Am Ende will Giering schließlich alles wieder schön alt aussehen lassen.

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