Erlangen: Alleinerziehend - die alltägliche Herausforderung

15.4.2015, 18:36 Uhr
Erlangen: Alleinerziehend - die alltägliche Herausforderung

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„Familie lebt in vielen Formen.“ Dieser Satz deutete beim ersten „Aktionstag Alleinerziehende“ in Erlangen im Jahr 1994 noch Überraschung angesichts der Tatsache an, dass die klassische Familie – Vater, Mutter, Kinder – als Lebensform im Rückgang begriffen ist. „Damals war dieser Satz noch provokant“, sagt Doris Aschmann, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Mittlerweile werde die Lebensform jedoch immer normaler.

Nur 49 Prozent der Bundesbürger leben einer Umfrage des Statistischen Bundesamtes zufolge heute noch in einer klassischen Familie mit Kindern, vor knapp 20 Jahren waren es noch 57 Prozent. In Bayern waren im Jahr 2012 unter den Familien mit Kindern unter 18 Jahren 17 Prozent Alleinerziehende, die meisten von ihnen Frauen

„Überwiegend weiblich“

„Allein erziehen ist nach wie vor überwiegend weiblich“, heißt es beim Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) in Bayern. Der Anteil der Männer unter den Alleinerziehenden ist in den letzten Jahren sogar leicht gefallen. Bei alleinerziehenden Vätern leben in der Regel weniger und ältere Kinder. „Bei jeder dritten alleinerziehenden Mutter, aber nur bei jedem zehnten alleinerziehenden Vater leben Kinder im Krippen- und Vorschulalter“, so der VAMV.

Ohnehin tragen Frauen ein höheres Armutsrisiko als Männer — und zwar in allen Altersgruppen — , die Alleinerziehenden unter ihnen sind aber besonders armutsgefährdet. Die Statistik zeigt auch: Das Familieneinkommen alleinerziehender Mütter in Bayern liegt eher in den unteren Einkommensklassen. Knapp die Hälfte hatte 2012 ein monatliches Nettoeinkommen von unter 1500 Euro.

500 von den 2074 Alleinerziehenden in Erlangen sind derzeit als SGB II-Bezieher gemeldet. „Die Zahlen in Erlangen bestätigen den bundesweiten Trend“, sagt Bettina Grey, Fallmanagerin für Alleinerziehende beim Jobcenter und Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA). Alleinerziehende würden überdurchschnittlich oft und viel arbeiten. Ihre Arbeitsmotivation sei höher und sie seien eher bereit, eine Arbeit anzunehmen, die nicht ihrem Qualifikationsniveau entspreche. Ein großes Problem sei jedoch die Vollzeitarbeit. „Die meisten sind in Teilzeit oder in Minijobs“, so Grey.

Aber in welchen genauen Lebensumständen Alleinerziehende sich auch immer befinden: Mit Workshops, unter anderem mit Rechtsanwältinnen und einer Diplompsychologin, und Infoständen will das Erlanger Netzwerk Alleinerziehende beim — für die Besucherinnen und Besucher kostenlosen — Aktionstag am 18. April darauf aufmerksam machen, dass es vielfältige Hilfsangebote und Einrichtungen gibt, an die Eltern sich wenden können. Im Netzwerk selbst haben sich Caritas, Diakonisches Werk, Frauenhaus, Kinderschutzbund, Diakonisches Zentrum, die städtische Gleichstellungsstelle, die Schwangerenberatung, die Koordinationsstelle Frühe Hilfen, das Zentrum für Alleinerziehende „Grünes Sofa“ und das Jobcenter zusammengeschlossen

Viele leben isoliert

Die Problemlagen Alleinerziehender — darüber sind sich die Veranstalter des Aktionstages im Klaren — sind vielfältig. „Wir wollen auch darauf hinweisen, was es bedeutet, alles allein zu bewältigen“, sagt Maria Heck, die beim Diakonischen Werk für die Angebote für Alleinerziehende zuständig ist. Gerade in Erlangen, so ihre Erfahrung, sei oft wenig Familie da, die unterstützen könnte, und Bettina Grey bestätigt: „Zu mir kommen viele Alleinerziehende, die isoliert leben.“

Nicht vergessen werden dürften auch die Kinder, fügt Maria Yeddes an. „Für die Kinder ist es oft ein Problem, wenn sie von heute auf morgen fremdbetreut werden sollen, weil ihre Mutter nach der Trennung eine Arbeitsstelle angenommen hat“, sagt die Geschäftsführerin des Zentrums für Alleinerziehende „Grünes Sofa“.

Nach einer Trennung eine Wohnung zu finden, die Kinderbetreuung auch zum Beispiel an Wochenenden oder zu Randzeiten zu organisieren und, ja, zuguterletzt auch mit dem seelischen Schmerz und der psychischen Belastung fertig zu werden — all das sind Herausforderungen, die gemeistert werden müssen.

Da sei es unerlässlich, Ansprechpartnerinnen zu haben, sagt Maria Yeddes — professionelle wie im Netzwerk Alleinerziehende, aber auch andere Betroffene. Es sei schlichtweg äußerst wichtig, andere in der gleichen Situation zu erleben, und dies gelte für die Erwachsenen genauso wie für die Kinder.

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