Erlangen: Baustellen für die Integration

27.5.2016, 06:00 Uhr
Erlangen: Baustellen für die Integration

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Eine fremde Umgebung, eine unbekannte Sprache und eine ungewisse Zukunft. Geflüchtete Menschen stehen nach der Ankunft in einem Land wie Deutschland vor einer schweren Zeit. Sie dürfen nicht arbeiten und sind oft nur behelfsmäßig untergebracht. Es gibt zwar viele Projekte im Bereich Sport und Theater. Doch viele Flüchtlinge wünschen sich mehr als das. Sie wollen arbeiten.

Die Gesetzeslage und das lange Warten auf Aufenthaltsbescheinigungen stehen dem aber im Weg. Zudem müssen meist mehrere Deutschkurse absolviert werden, bevor sich Flüchtlinge auf dem freien Arbeitsmarkt bewerben können. Doch wie können die Probleme des Nichttuns gelöst werden? Vorschlag: Flüchtlinge renovieren und sanieren marode Gebäude. In Erlangen gibt es solche Vorhaben nicht - noch nicht.

Weit gehen muss man aber nicht: so haben sechs Jugendliche aus Syrien und Indien im Herbst 2015 Hand angelegt, um die Burg Hoheneck (Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim) wieder auf Vordermann zu bringen. Vom Streichen, übers Gärtnern bis zum Reinigen - die jungen Flüchtlinge halfen tatkräftig mit. Zudem plant die Jugendbildungsstätte auf der Burg das Renovieren einer Brunnenanlage auf einem Ipsheimer Weinberg. Dort werden 16 Schüler einer Berufsintegrationsklasse ihre bisher erlernten Fähigkeiten testen können. Bei den jungen Männern handelt es sich ausschließlich um Flüchtlinge, die intensiv in ihrer Schule auf Ausbildung und Arbeit in Deutschland vorbereitet werden.

Einen Bedarf an Arbeitskräften und Sanierungen gibt es landesweit. Von Füssen bis Flensburg stehen Fabrikhallen, Wohn- und Bürogebäude leer. Für Erlangen lautet der aktuellste Stand: 8300 leere Wohnungen. Die meisten sind durch Mieterwechsel und die Anmeldung als Nebenwohnung zu erklären, wie im Wohnungsbericht der Stadt von 2014 zu lesen ist. Im bundesweiten Vergleich sind das wenig Leerstände. Bauarbeiten, bei denen helfende Hände benötigt werden, gibt es in der Stadt und im Umlauf aber wie andernorts auch.

"Baustellen sind perfekt, um Flüchtlingen den deutschen Arbeitsmarkt nahe zu bringen", betont Klaus Altenbuchner, Geschäftsführer von Step. Der Verein kümmert sich in Erlangen unter anderem um unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge. Die aktuelle Situation sieht Altenbuchner kritisch: "Wenn junge Flüchtlinge arbeiten, müssen sie 75 Prozent vom Verdienst abgeben." Die einzige sinnvolle Option, die es momentan gäbe, wären Praktika. "Es muss noch mehr getan werden, um jungen Menschen eine Berufsperspektive zu geben", meint Altenbuchner.

Damit spricht er an, was in der Flüchtlingshilfe sowie unter Geflüchteten der Tenor ist: Wollen, aber nicht können.

Sozialbürgermeisterin Elisabeth Preuß kennt die momentane Situation. Die Idee, dass Flüchtlinge Häuser renovieren, gefällt ihr. "Das Vorhaben hat großen Charme. Eine Gemeinschaft würde geschaffen werden. Flüchtlinge wären sinnvoll beschäftigt. Wohnraum entsteht und allgemein würde sich bestimmt eine große Zufriedenheit zeigen", sagt Preuß. Sie könne sich weitere Schritte vorstellen, um das Ganze als Modellprojekt in Erlangen voran zu bringen: "Der Oberbürgermeister könnte die Idee dem Landrat vortragen. Im Umland gibt es bestimmt noch mehr Möglichkeiten, geflüchteten Menschen Arbeit zu geben."

"Wenn Geflüchtete mit ihren eigenen Händen in unserer Stadt etwas Dauerhaftes bauen, dann wäre die Identifikation mit dem Gebäude sicherlich riesig. Das wäre wirklich toll", findet die Bürgermeisterin. Ebenso legt sie Wert auf bessere Lebensbedingungen für Geflüchtete: "Es spräche für Erlangen und unsere Willkommenskultur, den Menschen in der Zukunft Wohnungen anstatt Unterkünfte anbieten zu können."

Noch viele Hindernisse

Die Bürgermeisterin und auch Flüchtlingshelfer, sowie Flüchtlinge sind durchweg angetan von der Idee. Dennoch ist allen bewusst, dass noch einige Steine aus dem Weg zu räumen sind. Versicherungs- und Haftungsfragen sind zu klären, finanzielle Unterstützer müssen angeworben werden und geeignete Gebäude müssen gefunden werden. Trotzdem solle man optimistisch bleiben, sagt Elisabeth Preuß.

Ob und wie schnell die Idee umgesetzt wird, zeigt die Zeit. Die erhofften Vorteile bleiben aber starke Argumente: Arbeit, Wohnraum und Integration. Für alles drei wären viele geflüchtete Menschen dankbar. Däumchen drehen würde dann mit Sicherheit niemand mehr.

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