Erlangen: Handwerksberuf ist keine Sackgasse

23.1.2019, 18:00 Uhr
Erlangen: Handwerksberuf ist keine Sackgasse

© Ilona Hörath

Herr Protze, seit Ende 2018 stehen Sie an der Spitze der Kreishandwerkerschaft Erlangen, der Generationswechsel ist geschafft. Sie folgen Siegfried Beck nach, der über einen langen Zeitraum die Geschicke der Kreishandwerkerschaft gelenkt hat. Das sind große Fußstapfen, in die Sie treten.

Markus Protze: Ja, da haben Sie vollkommen Recht und das ist mir auch bewusst. Meine beiden Stellvertreter und auch die Geschäftsstellenmitarbeiter helfen mir dabei, einen guten Einstieg zu finden. Es wird sicherlich noch etwas dauern, bis ich mich in meine Aufgaben eingearbeitet habe. Mein Ziel ist es, natürlich mein eigenes Profil zu entwickeln.

Was dürfen Ihre Handwerkskollegen von Ihnen als neuem Kreishandwerksmeister erwarten und was wollen Sie anders gestalten als Ihr Vorgänger?

Markus Protze: Siegfried Beck hat mir eine sehr gut geführte Kreishandwerkerschaft übergeben. Er hat sich immer stark gemacht für die Belange des Handwerks. Das ist auch mir wichtig. Gleichzeitig ist es mir persönlich ein Anliegen, das Image und das Ansehen des Handwerks in der Gesellschaft anzuheben. Denn ich glaube, es ist besser als sein Ruf. Ich bin mir sicher, dass vielen Menschen nicht ganz bewusst ist, was ein Handwerker alles leistet und welches Wissen und welche Fähigkeiten er haben muss, um die anfallenden Arbeiten überhaupt noch erledigen zu können.

Was meinen Sie damit konkret?

Markus Protze: Damit meine ich, dass sowohl die technischen Anforderungen als auch die Anforderungen in der Verwaltung stetig ansteigen. Gerade in der Verwaltung ist über die letzten Jahre ein deutlicher Anstieg an Aufwendungen zu verzeichnen. Hauptsächlich ausgelöst durch neue Vorschriften und Gesetze. Die dafür notwendige Zeit fehlt dann bei der Umsetzung von Kundenaufträgen. Das ist eine unbefriedigende Entwicklung.

Worauf freuen Sie sich in Ihrer neuen Funktion besonders?

Markus Protze: Seit meinem 15. Lebensjahr engagiere ich mich ehrenamtlich. Während dieser Zeit habe ich gerne mit Menschen zusammengearbeitet, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Ich freue mich einfach auf die Arbeit mit meinen Handwerkskollegen. Wir wollen uns gut rüsten für die Zukunft.

Erlangen: Handwerksberuf ist keine Sackgasse

© Egbert M. Reinhold

Welchen Herausforderungen sind dabei zu bewältigen?

Markus Protze: Einige der geburtenstärksten Jahrgänge der Vergangenheit stehen kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand. Dadurch wird auch das Handwerk viele Fachkräfte verlieren was den Fachkräftemangel zusätzlich verstärken wird. Wir müssen Lösungen erarbeiten um dem entgegenwirken zu können. Des Weiteren hält die Digitalisierung Einzug im Handwerk. Die Unternehmen müssen darauf vorbereitet sein, Chancen aber auch die Risiken im Blick haben.

Handwerk hat goldenen Boden, heißt es. Doch das scheint den potenziellen Nachwuchs nur bedingt zu beeindrucken, weshalb auch zu Beginn des aktuellen Lehrjahrs nicht alle Lehrstellen in Erlangen besetzt werden konnten. Warum haben es Handwerksbetriebe so schwer, Nachwuchs zu finden?

Markus Protze: Das ist sicher eine vielschichtige Frage. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für eine handwerkliche Ausbildung.

Bedingt durch die geburtenschwachen Jahrgänge?

Markus Protze: Ja, aber auch deshalb, weil sich immer weniger für eine handwerkliche Ausbildung interessieren. Stattdessen wird ihnen von der Gesellschaft vermittelt, dass nur noch mit dem Abitur eine "ordentliche" berufliche Karriere möglich ist. Und das ist einfach falsch. Mit dem Meistertitel kann man mittlerweile an der Hochschule studieren, selbst dann, wenn man eigentlich nur mit einem Hauptschulabschluss ins Berufsleben gestartet ist. Insofern stehen einem heute alle Türen offen. Die handwerkliche Ausbildung kann ein hervorragender Einstieg in eine perfekte berufliche Karriere sein.

"Wir haben aber auch ein Asnsehensproblem"

Wie wollen sie Schulabsolventen für einen Handwerksberuf begeistern?

Markus Protze: Ich glaube, dass Aufklärung hier das wichtigste Stichwort ist. Wir müssen deutlich machen, was man mit der Ausbildung eigentlich alles erreichen kann. Einen Handwerksberuf zu erlernen ist keine Sackgasse, vielmehr ist die duale Ausbildung welche praktisches wie theoretisches Wissen im gleichen Maß vermittelt Basis für beruflichen Erfolg. Darüber hinaus sind Handwerksberufe extrem vielfältig und abwechslungsreich. Kaum ein Auftrag gleicht dem nächsten. Es gibt zahlreiche Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Persönlich finde ich am schönsten, dass das Ergebnis der Arbeit direkt sichtbar ist. Wir haben aber auch ein Ansehensproblem. Wenn die Gesellschaft (Eltern) ihren Kindern vermitteln, dass man mit einer handwerklichen Ausbildung keinen beruflichen Erfolg haben wird, dann wird’s schwierig für die Handwerker das zu vermitteln.

In vielen Ortschaften geben traditionsreiche Handwerksbetriebe auf, weil es keinen Nachfolger gibt. Wie bedrohlich ist diese Entwicklung für den Raum Erlangen?

Markus Protze: Dieser Trend zeichnet sich auch bei uns ab. Manche unserer Handwerksbetriebe haben definitiv keine Nachfolgeregelung. Das bedeutet, dass sich die Anzahl unserer Betriebe reduzieren wird.

"Ich verstehe Kollegen, die der Digitalisierung skeptisch gegenüberstehen"

Stichwort Digitalisierung: Sind die Handwerksbetriebe darauf vorbereitet?

Markus Protze: Das ist völlig unterschiedlich. Es gibt nach wie vor Handwerksbetriebe, die haben nur Telefon und Fax und ihre Kundenkontakte auf Karteikarten und kommen damit zurecht. In größeren Betrieben ist es nicht mehr möglich, ohne Computer und E-Mail den Betrieb überhaupt am Laufen zu halten. Ich glaube aber nicht, dass die Digitalisierung im Handwerk soweit geht, dass man das Handwerk nicht mehr Handwerk nennen kann. Der persönliche Kontakt und die individuelle Beratung des Kunden, ist im Handwerk ein wichtiger Baustein bei der Qualitätsentstehung der Produkte und Dienstleistungen. Das wird auch zukünftig so sein. Allerdings wird die Digitalisierung auch Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle mit sich bringen. Ich denke hier zum Beispiel an Onlinekonfiguratoren für den individuellen Kundenwunsch und die damit verbundene teilautomatisierte Abwicklung. Hier ist die Kreativität der einzelnen Unternehmen gefragt, um von der Digitalisierung zu profitieren. Aber ich verstehe auch Kollegen die der Digitalisierung skeptisch gegenüberstehen. Die notwendigen und intensiven Investitionen werden verständlicherweise gerade bei Betrieben ohne klarer Nachfolgeregelung gescheut. Der Nachteil: die Betriebe sind dann noch unattraktiver für eine eventuelle Nachfolge. Daneben ist auch die Datensicherheit ein Thema gerade in Verbindung mit der DSGVO.

Wie wichtig sind für das Handwerk schnelle Internetverbindungen?

Markus Protze: Die Anbindung an das Internet ist heute für ein Unternehmen aus meiner Sicht zwingend notwendig und die Verfügbarkeit ein wichtiges Standortkriterium. Die Betriebsprozesse welche das Internet benötigen nehmen immer weiter zu und die Anforderung an die Geschwindigkeit steigt. Daher ist es notwendig, dass die Versorger den Ausbau schneller Internetverbindungen vorantreiben. Die Zuverlässigkeit der Verbindung darf darunter jedoch nicht leiden.

Klagen über unzuverlässige Handwerker

Viele Menschen aus der Region berichten uns immer wieder von Problemen, Handwerker zu finden. Bisweilen springen Handwerker aber auch in letzter Minute ab oder Kunden werden monatelang vertröstet. Auch über sehr hohe Preise wird geklagt.

Markus Protze: Solche Probleme sind uns bekannt, wobei man dies differenziert betrachten muss. Ich glaube nicht, dass ein Handwerker vorsätzlich seine Kunden monatelang vertröstet oder ganz von Aufträgen abspringt. Es liegt ja im eigenen Interesse des Handwerkers seinen Kunden zufrieden zu stellen. Allerdings können zum Beispiel auf der Baustelle die Abhängigkeiten einzelner Gewerke sehr komplex sein. Man ist darauf angewiesen, dass vorausgehende Arbeiten abgeschlossen sind, die Witterung kann den Baufortschritt beeinflussen aber auch Genehmigungen, Zulassungen oder Bauabnahmen können für Verzögerungen sorgen, durch welche nachfolgende Aufträge tangiert werden. Das ist nicht schön, aber leider kann das vorkommen.

"Es liegt aber oft nicht in der Verantwortung des Handwerkers"

Es liegt aber oft nicht in der Verantwortung des Handwerkers. Zudem haben viele Unternehmen Schwierigkeiten geeignetes Personal zu finden. Fällt dann auch noch Personal aus entstehen schnell Verzögerungen. Zum Preis: Manches erscheint vielleicht auf den ersten Blick teuer. Aber wir machen auch die Erfahrung, dass nicht immer Gleiches mit Gleichem verglichen wird. Häufig wird ein industrielles Produkt mit einem individuellen handwerklich gefertigten verglichen. Da hinkt der Vergleich natürlich. Man kann hier dem Kunden nur empfehlen, darauf zu achten, sich vergleichbare Angebote einzuholen.

Aufgrund des derzeit herrschenden Baubooms sind die Auftragsbücher der meisten Handwerker gut gefüllt. Ein Dauerzustand?

Markus Protze: Schwierig zu sagen. Ich denke, dass wir vermutlich in den nächsten ein bis zwei Jahren eine kleine Delle verspüren werden. Ich gehe aber davon aus, dass die Auftragslage nach wie vor auf einem hohen Niveau bleiben wird.

Der neue Kreishandwerksmeister Markus Protze (38) wohnt in Bubenreuth.

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