Erlangen ist Vorbild in echter Willkommenskultur

21.10.2014, 20:00 Uhr
Erlangen ist Vorbild in echter Willkommenskultur

© Harald Sippel

Überraschend kam das Schreiben schon, mit dem die Bezirksregierung anordnete, Erlangen müsse binnen weniger Tage Unterkünfte für 300 Flüchtlinge bereitstellen. Aber unvorbereitet traf es die Stadt nicht. „Wir hatten schon seit Jahren Erfahrungen mit der Aufnahme von Asylbewerbern, Kontingentflüchtlingen und Zuwanderern aus EU-Ländern gesammelt und ständig hinzugelernt“, sagte Bürgermeisterin Elisabeth Preuß in Wunsiedel. Das Lernen gehe weiter, kündigte sie zugleich an, denn „wir stehen vor einer Aufgabe, die uns noch lange beschäftigen wird“

Mehrsprachige Mitarbeiter

Schon zum siebten Mal veranstaltete die Fichtelgebirgsstadt das Forum, mit dem sie den regelmäßigen Neonazi-Aufmärschen ein aktives Bekenntnis zu Demokratie und Toleranz entgegenstellt. In diesem Jahr stand es unter dem Motto „Willkommens- und Anerkennungskultur“ — ein Ziel, das auch das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anstrebt, wie dessen Präsident Manfred Schmidt betonte.

Erlangen hat schon seit längerem in diese Richtung vorgearbeitet. So nahm die Stadt unter anderem am EU-Projekt Xenos zur Weiterbildung von Behördenmitarbeitern teil, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Verwaltung noch Nachholbedarf bei der interkulturellen Kompetenz hat. Beispielsweise fehlten und fehlen immer noch Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Wie wichtig ausländisch stämmige Mitarbeiter sind, zeigt sich gerade bei der Betreuung von Flüchtlingen. Polyglotte Angestellte können den Menschen in Notunterkünften in verschiedenen Sprachen Auskunft geben. Doch die Zahl der städtischen Mitarbeiter mit Migrationshintergrund reicht noch nicht aus.

Trotz aller Eigenleistung, die Erlangen bei der Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen an den Tag legt, ist sie auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen. Auch hier wurde vorgebaut — und zwar mit der schon vor längerem gegründeten Initiative Efie, die „Ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung in Erlangen“.

Den letzten Anstoß, dass diese und viele andere Anstrengungen auf dem Weg zur offenen Gesellschaft noch nicht genug sind, gab der „Fall Sheriff Gnadenlos“. Da habe man gemerkt, dass sich noch viel ändern müsse, betonte Bürgermeisterin Preuß, und zwar in doppelter Hinsicht: Erstens durch Unterstützung von Flüchtlingen und Zuwanderern bei Ankunft, Spracherwerb und Einleben in die neue Gesellschaft (also dem Willkommen); zweitens beim positiven Umgang mit der sozialen und kulturellen Vielfalt in unserer Gesellschaft sowie bei gleichberechtigter Teilhabe (also der Anerkennung).

So steht es auch im Leitbild Integration, das Erlangen zusammen mit Nürnberg Fürth und Schwabach in der gemeinsamen Städteakademie entwickelt hat. Eine engagierte Bürgerin aus Weismain (Landkreis Lichtenfels), die sich selbst ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert, drückte es etwas schlichter so aus: „Nur essen, trinken und schlafen, das ist kein menschenwürdiges Leben“.

Wie das konkret in Erlangen aussieht, dazu verwies Preuß auf der politischen Ebene auf einen Stadtratsbeschluss, der ein Jahr nach der Versetzung von „Sheriff Gnadenlos“ gefasst wurde. Darin heißt es etwa, die Ausländerbehörde solle „Ermessensspielräume grundsätzlich . . . zu Gunsten von Betroffenen nutzen . . .“. Und im September 2013 beschloss der Rat, „die Ausländerbehörde zu einer Willkommensbehörde“ umzubauen. Das sei schon weit fortgeschritten, betonte Preuß. Etwa durch mehr Beratungsangebote und kommunale Sprachförderprogramme.

Außerdem sollen mehr Mitarbeiter mit Migrationshintergrund eingestellt werden und bei Bewerbungsgesprächen die interkulturelle Kompetenz von Bewerbern gegenüber rein formalen Kriterien mehr Gewicht bekommen. Die Stadt hat auch schon Erfahrungen, wie man alle Finanzierungsmöglichkeiten ausschöpfen kann, etwa durch das Bundesprogramm „Bildung und Teilhabe“, das Kindern unter anderem die Mitgliedschaft in einem Verein möglich mache.

Auch Helfer brauchen Hilfe

Auf der gesellschaftlichen Ebene hob Preuß das Prinzip der Teilhabe, der Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen (Parteien, Religionsgemeinschaften, Bildungseinrichtungen Vereine) einschließlich der Organisationen der Migranten hervor. Nur durch gegenseitiges Kennenlernen könnten Ablehnung und Vorurteile — die es bei allem Wohlwollen auch in Erlangen gebe — abgebaut werden. Nötig sei auch eine gute Betreuung der Flüchtlinge, da es beim Zusammenleben in Notunterkünften zwangsläufig zu Spannungen komme. Wobei gute Betreuung unbedingt auch „Hilfe für die Helfer“ bei deren schwerem ehrenamtlichen Job bedeuten müsse.

Erlangen hat da offensichtlich (fast) alles richtig gemacht. Lütfiye Yaver, die Vorsitzende des Ausländer- und Integrationsbeirats, bestätigte, dass die Probleme der Aufnahme von Flüchtlingen dank großer Transparenz und Teilhabe gut gelöst seien. Daraus könne man „ein neues Wir-Gefühl entwickeln“. Einhelliges Lob erntete Preuß auch von den Teilnehmern des Forums — was sie bescheiden abwies, aber auch irgendwie stolz machte, weil andere Kommunen von Erlangen lernen wollen.

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