Erlangen: Kerwa soll für die Familien attraktiv sein

24.5.2016, 12:00 Uhr
Erlangen: Kerwa soll für die Familien attraktiv sein

© Harald Sippel

Die Bemühungen, dass die Bergkirchweih nicht zum „Ballermann“ verkommt – was nach Experten-Einschätzung inzwischen auf viele vergleichbare Volksfeste zutrifft – haben nach den Erfahrungen der Schausteller auf dem Berg durchaus Formen angenommen. So registriert Lorenz Kalb, Vorsitzender des Süddeutschen Schausteller-Verbandes seit 2007 sowie Vizepräsident der vergleichbaren deutschen Organisation, die Anstrengungen der Stadt, den Berg als Familienfest zu erhalten – auch wenn abends schon lange die Jugend den Berg erobert hat und vor allem die After-Berg-Partys manchen Innenstadtbewohnern schlaflose Nächte bereiten.

Familien und Senioren haben dagegen in den letzten Jahren zunehmend Keller und Fahrgeschäfte gemieden und sich im Gedränge nicht mehr wohl gefühlt. Sie sind geflüchtet vor der überschäumenden Party-Atmosphäre und der sich manchmal gefährlich entwickelnden Alkoholseligkeit, verursacht durch das vielfach zu beobachtende Mitbringen von teils hochprozentiger Ware. Dem ist man jetzt mit Kontrollen gegenübergetreten, man hat den Standort der Kapellen gedreht und die Lautsprecher etwas gedämpft. Kalb lobt dafür die Verantwortlichen der Stadt wie Bergreferent Konrad Beugel: „Wir sind dafür dankbar. Es werden positive Themen nach vorne gebracht, man bemüht sich um Qualität. Wir haben kein Interesse am Ballermann, das ist das Schlimmste, was uns passieren kann“, verweist er auf die Meinung der meisten seiner etwa 70 Kollegen, die mit ihren Fahrgeschäften in Erlangen vertreten sind.

Beugel, ob seiner Sicherheitsmaßnahmen in diesem Jahr viel gescholten, hört das gerne – ebenso wie Oberbürgermeister Florian Janik, von dem man beim Stammtisch der Schausteller erfahren konnte, dass er sich schon mal an einer wissenschaftlichen Studie über das Nürnberger Volksfest beteiligt hat.

Ja, früher! Die gute alte Zeit beschwört auch Adam Kunstmann (70), der den Zeiten nachtrauert, als zu Zeiten der Bergkirchweih die Gaststätten in Erlangen geschlossen und die Gastronomen sich zwölf Tage lang auf dem Berg vergnügt hatten. Aber das ist lange her – „nach dem Krieg“. Da sei alles noch ruhig gewesen – und ohne die heutige Notwendigkeit einer überbordenden Bürokratie. Kalb: „Wir sind Familienbetriebe. Da hat man keine Sekretärin, um die verlangten Dokumentationen herzustellen. Wir sind alle den lieben langen Tag an den Fahrgeschäften, an den Kassen im ständigen Einsatz. Da bleibt keine Zeit für Statistiken.“ Über die Forderungen nach einem Stundensatz von 8,50 Euro für die Stammbelegschaft kann er nur lächeln. Die bekäme angesichts des Arbeitseinsatzes mehr und sogar Urlaubsgeld ausbezahlt.

Neben Janik fand sich auch Innenminister Joachim Herrmann beim Resümee der Schausteller in Dinkels Frankendorf ein. Beide vernahmen die Klagen vieler Schausteller, die größere Fahrgeschäfte betreiben, darüber, dass allein in Deutschland eine sonst allgemein in der EU gültige Praxis nicht übernommen worden ist: die neuen DIN-Normen für die Sicherheit der Fahrgeschäfte nur bei den Neubauten anzuwenden, bei den bestehenden dagegen die alten Normen weiterhin zu berücksichtigen. In Deutschland dagegen gelten die neuen Normen jetzt für alle Fahrgeschäfte – „obwohl wir bisher“, so Kalb, „den weltweit höchsten Sicherheitsstandard mit dem härtesten Prüfungszyklus haben“. Die notwendigen TÜV-Prüfungen verschlängen zig Tausende von Euro – zu viel für alteingesessene Familienbetriebe, die sich in ihrer Existenz bedroht sehen.

Auf Erlanger Ebene wurden die Stadtverantwortlichen mit dem Umstand konfrontiert, dass in Erlangen die Platzgelder als unverhältnismäßig hoch angesehen werden.

So berichtete der Betreiber des Riesenrads von den höchsten Platzgeldern in Deutschland – in Stuttgart z. B. müsste ein Drittel weniger bezahlt werden, obwohl dort die „Wasen“ eine Woche länger dauern würden. Beugels Vorgänger Gerhard Wangemann konterte den Vorwurf mit dem Hinweis auf die hohe Auslastung in Erlangen.

Überhaupt Platzgelder: In Schaustellerkreisen sieht man den Berg als kulturelle Veranstaltung – und die werden von den Kommunen eigentlich sonst großzügig gesponsert. In Erlangen müsste wohl das erhöhte Platzgeld die fehlenden Einnahmen von den im Privatbesitz befindlichen Kellern ausgleichen – anders als z. B. in Nürnberg mit den Bierzelten als Großzahler, die den Durchschnitt senken, zum Wohl der Fahrgeschäfte.

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