Erlangen: Kleinen Leuten helfen, sich selbstständig zu machen

15.6.2016, 19:08 Uhr
Erlangen: Kleinen Leuten helfen, sich selbstständig zu machen

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„Es steckt ein unheimlicher Grad an Ermunterung dahinter“ strahlt Christian Hessler, als er von seiner Studienreise nach Ecuador erzählt. Etliche Einzelpersonen und Projekte hat er besucht, die von Oikocredit Darlehen bekommen haben, um sich eine Existenz aufzubauen oder sie zu erweitern. Seit 20 Jahren ist Hessler Mitglied in dieser niederländischen Genossenschaft, seit zehn Jahren engagiert er sich als Rechnungsprüfer im Förderkreis Bayern. Als solcher hat er auch einen Überblick darüber, wo die Gelder, die in den Entwicklungsländern als Kredite vergeben werden, her kommen.

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Insgesamt seien von den Bayerischen Mitgliedern rund 60 Millionen Euro investiert worden, 80 Prozent davon würden von Einzelpersonen gegeben, weiß er. Im Freistaat unterstützen über 3400 Menschen die Arbeit von Oikokredit, davon rund 200 in Erlangen und Umgebung.

Das tun sie wie Christian Hessler vor allem, um wirtschaftlich benachteiligten Menschen in Entwicklungsländern zu helfen, sich eine eigene Existenz aufzubauen. So ganz selbstlos ist das Engagement allerdings nicht. Denn die Genossenschaft zahlt laut Hessler seit Jahren immerhin zwei Prozent Dividende auf das eingesetzte Kapital. Das ist derzeit ein Zinssatz, der sonst so risikolos kaum zu erzielen ist. Zu den Anlegern gehören neben den Privatpersonen auch Weltläden, Stiftungen und Kirchengemeinden. Der Weltkirchenrat hatte die Genossenschaft vor 40 Jahren gegründet, „in die Gänge gekommen“ sei das Ganze aber erst durch das Engagement von Einzelpersonen, weiß Hessler. Eine Milliarde Euro sind inzwischen zusammen gekommen.

Um einmal zu sehen, was mit dem Geld geschieht, das er angelegt hat, hatte sich Christian Hessler für eine von Oicocredit organisierte einwöchige Studienreise beworben und war auch prompt zusammen mit rund 20 anderen Mitgliedern für den Kurztrip nach Ecuador ausgewählt worden. Gemeinsam sind sie nach Quito geflogen, dort wurden dann drei Gruppen gebildet.

Hessler flog zunächst weiter nach Guayaquil, um von dort mit dem Bus in den Süden zu fahren. Eine Kakao-Genossenschaft hat er dort besucht, die mit Krediten von Oikocredit finanziert worden ist. Viel beeindruckender aber war nach seinen Erzählungen der Besuch bei Maria, die sich mit einem Darlehen über 500 Dollar eine Industrienähmaschine gekauft hat und nun als Schneiderin ein Zusatzeinkommen hat für die Familie. Das Einkommen ihres Ehemannes, der in einer Zuckerfabrik arbeitet, reicht nämlich nicht, um die Familie zu ernähren.

Auch Eduardo hat er besucht, der aus einem Dutzend schrottreifer Autos ein neues macht. 500 Dollar hatte auch er vor 20 Jahren als Kredit bekommen und mit weiteren Krediten eine nun gut gehende Kfz-Werkstatt aufgebaut, die demnächst sogar ein Dach erhalten soll. Auch bei Elena war er, die im Jahre 2008 mit einem Kleinkredit angefangen hat, Empanadas zu backen. Heute backt sie 1000 am Tag, ihr Mann Vicente verkauft sie vom Moped aus für 50 Cent das Stück. Farmer und kleine Kaffeeplantagen, die Kredite erhalten haben, hat Hessler ebenfalls besucht.

Die Kredite werden meist nicht von Oikocredit direkt vergeben sondern über sogenannte Mikrofinanz-Institute. Deren Risiko ist nicht eben gering, Ausfälle sind nicht selten und liegen bei bis zu fünf Prozent. Darum ist der Zinssatz mit 27 bis 28 Prozent auch nicht klein. Wie groß das Risiko ist hat sich erst jüngst gezeigt, als Ecuador von einem heftigen Erdbeben erschüttert wurde.

Zehn Millionen Euro Kredite hatte Oikocredit in der Erdbebenregion vergeben. Ob das Geld jemals zurück fließt ist fraglich. Trotzdem sei es ermutigend zu sehen wie nachhaltig mit dem Geld gearbeitet werde, sagt Christian Hessler. „Das ist überzeugend, und die Reise war ein fantastisches Erlebnis“.

Darum will sich der Ingenieur, der ansonsten bei Areva Sicherheitssoftware für Kraftwerke schreibt, noch mehr engagieren. „Das alles ist für mich Ermutigung, bei Oikocredit noch mehr zu machen als nur die Rechnungsprüfung“, sagt er. Zunächst aber will Hessler in der Bubenreuther Lukasgemeinde einen Vortrag über seine Erfahrungen halten, um noch mehr Menschen dafür zu begeistern auch mit zu machen.

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