Erlangen Kosbach verwandelt sich in eine Künstlerkolonie

5.7.2018, 18:00 Uhr
Erlangen Kosbach verwandelt sich in eine Künstlerkolonie

© Fotos: Udo Güldner

Still ruht der Deckersweiher vor sich hin. Wie die letzten rund 500 Jahre. Nur ab und an plätschert es etwas. Dann hat wieder einer der Fische an der Oberfläche nachgesehen, wie weit Edward Kostka inzwischen gekommen ist. Der Kunstprofessor aus Wroclaw sitzt auf einem der Gartenstühle, auf dem sonst nur die Familie Oberle Platz nimmt. Oder die Dorfjugend bisweilen über die Stränge schlägt. Das kleine Stück Ufer ist nämlich Privatbesitz. Den älteren Herrn mit Strohhut interessieren die Karpfen inmitten des künstlichen Sees freilich nicht.

Sein Aquarell fängt die frischen Farben ein, die sich aus dem Zusammenspiel von Sonnenlicht, Wasseroberfläche und Uferbewuchs ergeben. Oder sie denken sich das Licht hinzu, das gerade durch den bewölkten Himmel nicht zum Auge des Betrachters durchdringt. Als die ersten vereinzelten Regentropfen fallen, scheint das kaum einen der Künstler zu interessieren. Schon gar nicht Hans Fister aus Eschenau, der drei Meter weiter gerade an einem Aquarell tüftelt. Das Wasser von oben kommt ihm sogar gelegen. Dann muss er nicht zur Sprühflasche greifen, damit alles fließt. Dem Maler gefiele es sogar noch besser, wenn es schneite und fröre. Dann ergäben sich durch Eiskristalle noch ganz andere, nicht planbare Strukturen auf der Oberfläche des Papiers.

Malen unter freiem Himmel

Für einen Tag ist aus dem westlichen Stadtteil eine "Künstlerkolonie Kosbach" geworden. Sie sitzen überall: auf Gehwegen, an Parkplätzen, in Hofeinfahrten. Unter freiem Himmel (Plein Air). Wir wären nicht im Karpfenland Aischgrund, wenn nicht mindestens einer der Speisefische ins Bild gesprungen wäre. Ein ganz großer Brocken hat es sogar auf eine Hauswand geschafft. Um ihn zu sehen, muss man allerdings über Fischnetze hinweg steigen und sich an blauen Plastikfässern vorbeidrücken. Auf einem Holzgerüst in zwei Metern Höhe pinselt Beata Hetmanczyk gerade das Tier an die Fassade. In der Hand hält sie ihre Vorlage: ein Bierfilzchen der Hofbräu Oberle. Deren helles, leichtes Sommerbier hat die Künstler bereits am Morgen inspiriert — so wie es mich am Nachmittag erfrischt.

Dann merke ich, dass das mit der "deutsch-polnischen Freilichtmalerei" nicht so ganz stimmt. Höre ich inmitten all der "Dzien dobry" doch auch das tschechische "Dobry den" für "Guten Tag". Tatsächlich sind drei Künstler aus dem böhmischen Kutna Hora hier. Darunter das Ehepaar Vladimir Cisar und Lenka Cisarova, er Lehrer, sie Architektin. Nicht alle hier sind also Profis, die mit ihrer Kunst ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.

Hinter den Gebäuden hat sich Zdzislaw Szpak am Fischteich niedergelassen. Das ist angesichts der sprühenden Wasserfontäne inmitten des Bas-sins ein erstaunlich kühler Ort. Die Geräuschkulisse verhindert aber auch Gespräche. Träge dümpeln zwei Ruderboote vor sich hin. Sie haben als Motiv aber keine Chance. Das Fachwerk der alten Brennerei ist einfach zu pittoresk. Fieberhaft zeichnet er mit Blei- und Buntstiften, die er mit einem kleinen Taschenmesser anspitzt.

Während Leon Kozoks Zeichnung auf einen genialen Einfall ihres Schöpfers wartet, hat der bereits die zweite Schachtel Zigarillos in Angriff genommen. Es entspinnt sich eine intensive Debatte mit Sylwia Gromacka-Stasko, ob denn die Proportionen ihres Karpfens stimmen. Als Überraschungsgast kommt die 82-jährige Urszula Chachulska vorbei. Die Grande Dame der schlesischen Kunstszene hat gerade eine Familienfeier in Düsseldorf hinter sich. Sofort beginnen intensive Gespräche in polnischer Sprache. Auf dem Holztisch vor ihnen liegt eine farbenfrohe Ansicht des "Weißen Schlosses" – ein Hinweis darauf, dass die Gruppe am Vortag in und um Heroldsberg herum unterwegs war. Dann wird der Regen deutlich stärker und spült die Maler und Zeichner mit ihren Utensilien unter die großen quadratischen Schirme.

Die Landschaft verschwindet

Es ist der erste Tag der Woche, an dem Miroslaw Oginski nicht unter freiem Himmel zeichnen kann. Mit seinem Vollbart und der Schirmmütze sieht er aus wie ein Soldat der Südstaaten-Armee im Amerikanischen Bürgerkrieg. Er ist aber bedeutend sympathischer. Vor ihm liegt kein Skizzenblock, sondern ein Smartphone, mit dem er die Fachwerkfassaden der Umgebung eingefangen hat. Die Architektur scheint es den Künstlern angetan zu haben.

Erlangen Kosbach verwandelt sich in eine Künstlerkolonie

Dann erwartet die Gruppe selbstgebackener Kuchen, um den sich Maria Stawik-Höhlriegel aus Falkendorf gekümmert hat. Sie ist der gute Geist der freilichtmalenden Familie. Doch auch im Angesicht der Kaffeetassen behalten Jadwiga Mika und Ireneusz Szymik ihre Farbtuben im Auge, jederzeit auf dem Sprung zu ihrer Staffelei bereit. Als ich Kosbach wieder verlasse, fallen mir auf dem Weg nach Osten die zahllosen Baustellen auf. Die Metropole Erlangen frisst sich scheinbar unaufhaltsam in die Landschaft hinein. Meter um Meter verschwindet die Landschaft, die Menschen inspiriert. Vielleicht kann man hier in einigen Jahren gar keine Freilichtmalerei mehr machen.

Am 5. Juli ist eine Ausstellung der Künstler (14—18 Uhr) im Adelsdorfer Schloss zu sehen.

Keine Kommentare