Erlangen: Regeln für Knecht Ruprecht

8.12.2016, 12:00 Uhr
Erlangen: Regeln für Knecht Ruprecht

© Helena Garz

„Knecht Ruprecht, rief es alter Gesell, hebe die Beine und spute dich schnell!“, solch helle Stimme, wie im Gedicht von Theodor Storm, vernahm Knecht Ruprecht lange nicht. Der Grund hierfür liegt aber nicht etwa darin, dass alle Kinder nun durchweg brav sind. Schließlich fallen nur die „bösen“ Sprösslinge in den Zuständigkeitsbereich des Mannes mit der Rute. Dieses erzieherische Werkzeug war früher weit und breit gefürchtet. Doch genau auf Grund dieser Gewaltpräsenz um seine Persönlichkeit proklamierte die Pädagogik das Ende des Weihnachtsgesellen. Die Rute sei nicht mehr zeitgemäß, Ruprecht insgesamt erzieherisch eher fragwürdig. Der Jahrhunderte alte Dienstleister wurde degradiert: Er durfte, wenn überhaupt, nur noch den Sack des Nikolaus tragen. In vielen Regionen Deutschlands verschwand er ganz. Umso verblüffender erschien es, als seine Anwesenheit auf der Erlanger Waldweihnacht angekündigt wurde.

„Heutzutage muss kein Kind meine Rute mehr fürchten“, erklärt Knecht Ruprecht auf dem Schlossplatz und wirkt heiter. „Die Zeiten haben sich geändert — wie auch die Wünsche der Kinder. Früher wollten sie Bälle und Hosen, die nicht zerreißen. Jetzt trägt jeder diese zerrissenen Jeans. Für die Löcher in der Hose zahlt man ja sogar mehr Geld“, wundert er sich und lacht. Er selbst habe keine Rute dabei. Vielmehr hat er neben einem jungen Engel namens Johanna den Nikolaus an seiner Seite. Die Beiden seien keine Konkurrenten mehr, sondern ein Team. „Eigentlich sind wir sogar Zwillinge“, offenbart Ruprecht.

Und genau darin mag die Krux liegen. Denn deshalb können Guido und Joachim Öttlinger, die sich unter den Kostümen verbergen, problemlos den Platz des jeweils Anderen einnehmen. Die beiden Rentner jobben bereits seit knapp 55 Jahren als winterliche Saisonkräfte. Dass bei einem derartig regen Rollentausch der Überblick verloren gehen kann, ist nachvollziehbar. Denn sie sind sehr gefragt in der Region und darüber hinaus. So treten sie neben Erlangen nicht nur in Lauf, Himmelsgarten und Röthenbach auf, sondern werden jährlich zum Weltkongress der Weihnachtsmänner nach Dänemark geladen. Dort treffen Ruprecht und Nikolaus auf Gleichgesinnte aus aller Welt: Santa Claus ist neben der italienischen Hexe Befana ebenso anwesend wie Väterchen Frost aus Russland oder Samichlaus aus der Schweiz.

Der Beruf des Weihnachtsmannes ist dabei Ehrensache. Deshalb gibt es einen Kodex: Wer Kinder beruflich beschenken will, darf im Kostüm weder Alkohol noch Nikotin konsumieren oder Turnschuhe tragen. So betrachtet sind die Regeln gewissermaßen strenger als Knecht Ruprecht, der mittlerweile gemeinschaftlich mit Nikolaus Schneebällchen aus weißer Watte auf die Kinder schneien lässt. Der ehemals grimmige Geselle scheint, sich in der Rolle eines zweiten Sankt Nikolaus wohlzufühlen. Sichtbar genießt er es, die Kinder mit Geschenken zum Lachen zu bringen — ganz wie der Bischof von Myra.

Auch für Nachwuchs ist bereits gesorgt. Das Röthenbacher Weihnachtsduo bildet einen Weihnachtsmann aus. „Der muss Gedichte aufsagen und Geschenke austragen — und natürlich Liegestützen machen“, witzelt Knecht Ruprecht.

Die Rute mag zwar mit der Zeit zu Watteschneebällchen weichgespült worden sein, spitze Worte findet er dennoch.

 

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